© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002


Theorie des Terrors
von Kai-Alexander Schlevogt

Um Probleme zu begreifen und zu meistern, bedarf es eines theoretischen Überbaus. Die Denker und Lenker des Weltwirtschaftsforums erkundeten daher die inneren Ursachen des Terrors. Um der Wahrheit zu entfliehen, verkündete der nichtstaatliche Davoser Eliteclub, der durch vernetzte Informalität größeren Einfluß ausübt als gewählte Regierungen, die einfache wie falsche Theorie, daß Armut Terror verursacht. Man kann ebenso gut behaupten, daß große Feuerwehrautos große Brandschäden erzeugen. Die beiden Variablen sind nur korreliert, weil ein anderer Faktor (wie die Größe des Feuers) nicht konstant gehalten wird. Die Theorie läßt sich leicht widerlegen: Erstens gab es Armut schon immer. Was sich nicht verändert kann aber keine Änderung bewirken. Zweitens zählen gerade die Kriegsgegner der USA zu den reichsten und gebildetsten Männern der Welt.

Drittens kämpfen Arme häufig ums Überleben und haben wenig Zeit für Politik. Kleine Verbrechen mögen helfen zu überleben, nicht aber selbstlose Kamikaze-Anschläge, die das Gegenteil bewirken. Viertens müßten unzählige US-Terroristen aus der ständig wachsenden Armutsschicht im Land der unbegrenzten (Un-)Mö­glichkeiten hervorgehen. Sogenannter Terror ist eine militärische Antwort von Guerillas auf die weltweite US-Machtausdehnung und Vernichtung. Wenn Armut und Terror zusammenhängen, dann in anderer kausaler Richtung: Widerstand gegen die USA führt zur wirtschaftlichen Marginalisierung und entzieht so lebens­wichtige Ressourcen.


 
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