© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
Wer kennt Waldziegen?
Artensterben: Alte Nutztiere und Pflanzen sind gefährdet
Alexander Barti

In der Diskussion um gute Landwirtschaft und gesunde Produkte wird in der Regel ausgeklammert, daß - auch in der Bio-Landwirtschaft - die Artenvielfalt bei Nutztieren und Pflanzen dramatisch abgenommen hat. Hauptgrund dafür ist die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft nach dem Zeiten Weltkrieg.

Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Nutztiere an die regionalen Standortbedingungen optimal angepaßt. Sie prägten so die Kulturlandschaft und die Bäuerliche Kultur, die eng mit den Tieren verbunden war. Im Zuge der Industrialisierung wurden Rind und Pferd nicht nur von dem Schlepper abgelöst, sondern die mageren Futterrationen wurden anschließend auch mit Kraftfutter aufgepeppt. Die mehrfache Nutzung der Tiere war bald nicht mehr notwendig, so daß die Landwirtschaft mit der Zucht von spezialisierten Hochleistungsrassen begann.

Gleiches gilt für die Nutzpflanzen: der Einsatz von Kunstdünger, Herbiziden und Fungiziden und die einseitige Ausrichtung auf den rein quantitativen Ertrag haben die alten Sorten verdrängt.

Um das Artensterben zu stoppen, haben sich schon vor Jahren zwei Vereine gegründet: Die „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“ (GEH) und der „Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“ (VEN). Die GEH hat ein vielfältiges Programm entwickelt, um alte Haustierrassen zu erhalten. Es gibt nicht nur spezielle Zuchtprogramme, sondern auch ein engagiertes „Arche-Hof-Projekt“, wo auf über 75 Höfen, die miteinander vernetzt sind, alte Haustierrassen gehalten werden. Wie wichtig und effektiv die Arbeit der GEH mit heute rund 2.000 Mitgliedern ist, zeigt sich daran, daß seit ihrer Gründung 1981 noch keine Nutztierrasse in Deutschland ausgestorben ist.

Der VEN wurde 1986 gegründet und versucht sich mit der Rekultivierung und Vermehrung alter Nutzpflanzensorten. Man begnügt sich nicht nur mit dem Aufspüren gefährdeter Sorten, sondern versucht sich auch mit der Weiterzüchtung von Wildpflanzen für Nahrungszwecke. Für seine Arbeit sucht der Verein ständig weitere Mustergärten.

Besonders problematisch für alte Sorten und Rassen dürfte die EU-Landwirtschaftspolitik sein, die bis zur Krümmung der Essiggurken alles reguliert. Zusammen mit den globalieserten Handelsketten, die aus Werbe-, Lager- und Präsentationszwecken ebenfalls auf einheitliche Ware pochen, wird der Verdrängungswettbewerb weiter zunehmen. Allerdings sind die alten Rassen und Sorten auch direkt gefährdet: Die Gentechniker dürften sich über den so gesammelten „Genpool“ besonders freuen, bietet er schließlich die Möglichkeit, inzwischen degeneriertes „Hochleistungsvieh“ wieder aufzumöblen.

Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen, Am Eschbornrasen 11, 37213 Witzenhausen, Tel: 0 55 42 / 72 5 60, E-Post: geh.witzenhausen@t-online.de , Internet: www.g-e-h.de 

Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, c/o U. Reinhard, Sandbachstr. 5, 38162 Schandelah, Tel. und Fax: 0 53 06 / 14 02, E-Post: ven.nutz@gmx.de , Internet: www.nutzpflanzen-vielfalt.de 


 
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