© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Frisch gepreßt

Gerhard Ritter. Ein beachtliches Aufeinandertreffen: Im großen „Historikerstreit“ über die Ursprünge des Ersten Weltkrieges, der 1961 ausgelösten, sogenannten „Fischer-Kontroverse“, vertrat der dem Widerstand gegen Hitler verbundene Freiburger Ordinarius Gerhard Ritter den „nationalkonservativen“, um Deutschlands „Entlastung“ bemühten Part. Sein Hamburger Widersacher, der schon als Gymnasiast im „Bund Oberland“ - dem „bewaffneten Arm“ der frühen NSDAP - engagierte Fritz Fischer, der sich von einem unerbittlichen, hierin mit Céline wetteifernden Juden-Hasser wie dem NS-Historiker Walter Frank fördern ließ, verfocht die radikalisierte Umerziehungsthese von der „Alleinschuld“ der wilhelminischen „Eliten“ am Kriegsausbruch von 1914. Kein Zweifel, daß, wie der Althistoriker Alfred Heuß dies prägnant formulierte, der jüngst verstorbene Fischer, ein Erzvater des geschichtspolitischen Linksliberalismus der BRD, seine einstige positive Fixierung auf Hitler „wiedergutmachen“ wollte. Diese Hintergründe entgehen dem Düsseldorfer Habilitanden Christoph Cornelißen, der auch sonst in seiner voluminösen Ritter-Biographie manch blinden, wohl eigenen Karriereaussichten geschuldeten Fleck akzeptiert, ungeachtet dessen aber einen höchst respektablen Beitrag zur Geschichte deutscher Geschichtswissenschaft im letzten Jahrhundert bietet (Gerhard Ritter: Geschichtswissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert. Droste Verlag, Düsseldorf 2001, 757 Seiten, 49 Euro).

Michel Houellebecq. Die Gedichte „Wiedergeburt“ (übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, Köln 2001, DuMont, 200 Seiten, 17,80 Euro) sind Poeme der Desillusion, getragen von der Abscheu vor der Gesellschaft und deren „beunruhigenden Lebendigkeit“. Das lyrische Ich, ins Leben geworfen, sieht sich bedrängt von einer Welt, die gleichsam auf es geworfen wurde. Die Rückkehr zum Individuum im Selbst-Dialog zeitigte das Erkennen der Schmach der Isolation. „Warum so tun, als wäre man glücklich?“ - der Tod - das „Trugbild“ - stellt keine Lösung dar. Die Resignation ist die Rache an sich selbst: „Doch wer nicht sterben will, muß töten“. Der Tod aber wäre Aktion und so „spielt [man] die Partie nur aus Gewohnheit weiter“. Houellebecqs Gedichte sind weder belustigend noch erbauend. Aber sie sind gut.


 
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