© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002

 
Mit scharfem Messer
Die anatomisch-physiologischen Vorgänge beim Schächten
Werner Hartinger

Wenn die Schächtung am gefesselten und niedergeworfenen Tier, entsprechend den Vorschriften, durch einen Schnitt mit einem scharfen Messer vorgenommen wird, durchtrennt man zunächst die vordere Halshaut, dann die vorderen Halsmuskeln, die Luftröhre und die Speiseröhre.

Jeder Mediziner mit operativer Erfahrung weiß, wie schmerzempfindlich Luftröhre und Speiseröhre sind, besonders aber der betroffene Kehlkopf, dessen Verletzung selbst bei tiefer Narkose noch zu schweren reflektorischen Atemstörungen und Kreislaufreaktionen führt. Danach werden die darunter und seitlich liegenden, mit spezifischer Sensitivität ausgestatteten beiden Halsschlagadern durchschnitten, die eine relevante Gesamtreaktion auf Blutdruck und Kreislauf haben. Daneben werden auch die Nervi accessori und der Vagus sowie das gesamte Sympathische Nervensystem und die das Zwerchfell motorisch versorgenden Nervi phrenici durchtrennt.

Hierdurch kommt es zu einem immobilen Zwerchfellhochstand mit stärkster Beeinträchtigung der Lungenatmung, so daß das Tier neben seinen unerträglichen Schnittschmerzen auch noch zusätzliche Todesangst durch Atemnot erleidet. Durch verstärkte Atemreaktionen wird das Blut und der aus der Speiseröhre austretende Mageninhalt in die Lungen aspiriert, was zu schweren Erstickungsanfällen führt. Während des langsamen Ausblutens thrombosieren und verstopfen vielfach die Gefäßenden der vorderen Halsarterien, so daß regelmäßig nachgeschnitten werden muß.

Und das alles bei vollem Bewußtsein des Tieres, weil beim Schächtschnitt die großen, das Gehirn versorgenden Arterien innerhalb der Halswirbelsäule ebenso wie das Rückenmark und die zwölf Hirnnerven nicht durchtrennt sind und wegen der knöchernen Ummantelung auch nicht durchtrennt werden können. Diese noch intakten Gefäße versorgen über den an der Basis des Gehirns liegenden Circulus arteriosus weiterhin das ganze Gehirn noch ausreichend, so daß keine Bewußtlosigkeit eintritt.

Hängt man das Tier an den Hinterbeinen auf, so bleibt es infolge der Blutversorgung des Gehirns, des orthostatisch verstärkten Blutdruckes und des lebensrettenden physiologischen Phänomens, daß der blutende Organismus seine periphere Durchblutung zugunsten von Gehirn, Herz und Nieren auf Null reduziert, praktisch bis zum Auslaufen der letzten Blutstropfen bei vollem Bewußtsein.


 
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