© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/02 25. Januar 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Stamokap
Karl Heinzen

Das Bundeskartellamt ist der Eon AG in den Arm gefallen und hat den ersten Schritt des Energiekonzerns zur Macht­übernahme bei der Ruhrgas AG untersagt. Die Öffentlichkeit hat das Verbot fair zur Kenntnis genommen. Der Vorwurf, die Behörde hätte engstirnig entschieden, ist, obwohl dies de facto so gesehen wird, nicht erhoben worden, und er wäre auch insofern ungerecht, als sie gar nicht anders konnte. Ihr gesetzlicher Auftrag zwingt sie dazu, ausschließlich sogenannte Beschränkungen des Wettbe­werbs zu prüfen und andere, übergeordnete Gesichtspunkte erst gar nicht in Betracht zu ziehen. Den Begriff des Wettbewerbs muß sie zudem heute noch immer so wie in den Zeiten der Sozialen Marktwirtschaft auslegen.

Nun ist es die Aufgabe von Werner Mül­ler (parteilos), mit einer Ministerer­laubnis das Verbot des Bundeskartellam­tes aufzuheben und damit für die Frei­heit des Energiemarktes von staatlichen Regulierungen zu sorgen. Da es in sei­nem Ressort nicht viele Entscheidungen zu treffen gibt, kann man verstehen, daß der Wirtschaftsminister diese nun zelebrieren möchte. Sachlich besteht zu einer eingehenden Würdigung des Falles jedoch keine Veranlassung. Als ehemali­ger Manager von RWE und des Eon-Vorgän­gers Veba, dem im übrigen nachgesagt wird, an eine dieser alten Wirkungsstätten zurückkehren zu wollen, kennt Werner Müller die betroffene Branche gut. Überdies hat der Bun­deskanz-ler, dem „Handelsblatt“ zufolge, schon im Herbst des letzten Jahres in „Geheimtreffen“ mit den involvierten Managern eine politische Lösung des Problems versprochen.

In der Vergangenheit wurden Ministerer­laubnisse stets verdächtigt, tagespoli­tisch motiviert zu sein. Heute hingegen stehen sie in einem systematischen Zu­sammenhang. Die Regierung Schröder kann zwar im wesentlichen keine andere Wirt­schaftspolitik betreiben als ihre Vor-gän­gerin, aber sie durchdringt im Gegen­satz zu dieser das, was ihr zu tun aufgegeben ist, auch theoretisch. Manche ihrer Angehörigen, allen voran der Bundeskanzler, haben schon in den siebziger Jahren begriffen, welche Leistungen einem modern verstandenen Staat im Spätkapitalismus abverlangt werden. Sie wissen zum Beispiel, daß eine Politik im Dienste des Wettbewerbs heute vor allem heißen muß, für eine Akzeptanz seiner Ergebnisse zu sorgen, auch wenn diese seine Überwindung bedeuten. Wenn in jeder relevanten Branche eine kleine Anzahl großer Anbieter den Markt in kooperativer Konkurrenz abdeckt, entste­hen nicht nur Rentabilitätsvorteile für die Unternehmen. Auch für den Staat als ideellen Gesamtkapitalisten ist es wün­schenswert, seine Leistungen bündeln zu können, um mehr Wirkung zu erzielen.

Es mag sein, daß Gerhard Schröder nie wirklich geglaubt hat, den Staatsmono­polistischen Kapitalismus demokratisieren zu können. Seine Funktionsweise aber hat er reflektiert und verinnerlicht. Das ist es, was die einzigartige Wirtschaftskompetenz des Kanzlers ausmacht.


 
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