© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Der Siegermächte kleinster gemeinsamer Nenner
Die alliierte Militärmission als Synonym deutscher Unsouveränität
Helena Schäfer

Die während des Kalten Krieges in Deutschland eingerichtete alliierten Militärmission operierte weitestgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit, was es schwer macht, ihre Geschichte vollständig und objektiv darzustellen. Dennoch ist es der Rechtshistorikerin Dorothee Mußgnug gelungen, ein aufschlußreiches Werk über das Wirken der Militärmission und ihre Bedeutung im Ost-West-Konflikt vorzulegen. Ihre Arbeit speist sich hauptsächlich aus amerikanischen Archiven und MfS-Akten.

Das Londoner Abkommen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs vom 14. November 1944 sah die Installation von militärischen Kontrolleinrichtungen in Deutschland vor. Nach langen, separat geführten Verhandlungen schlossen die Besatzungsmächte 1946/47 je zweiseitige Abkommen über die Einrichtung von Militärmissionen, um sich gegenseitig zu beobachten und zu kontrollieren. Die Missionen der Amerikaner, Briten und Franzosen wurden in Potsdam angesiedelt, die drei sowjetischen in der jeweiligen Besatzungszone.

Diese Militärmissionen waren nicht als Vertreter ihrer Regierungen zu betrachten, sondern sollten lediglich der Verbindung zwischen den Oberkommandierenden der in Deutschland stationierten Streitkräfte und deren Stäbe dienen. Sie setzten sich ausschließlich aus Militärs aller drei Waffengattungen zusammen und hatten unter anderem die Aufgabe, die Militärregierungen zu unterstützen und in den Besatzungszonen die Interessen ihrer Staatsbürger zu wahren. Außerdem sollten sie zur Verbesserung der Beziehungen unter den Militärs beitragen, um die mit Interzonenhandel und Grenzverlauf verbundenen Probleme zu klären.

Erwartungsgemäß verlief nicht alles reibungslos. Detailliert schildert Muß-gnug unzählige Zwischenfälle, die manchmal auch Todesopfer mit sich brachten. So wurde 1985 der amerikanische Major Nicholson auf einer Erkundungsfahrt von einem sowjetischen Wachsoldaten erschossen, ein Jahr zuvor kam ein französischer Fahrer durch einen vom NVA-Lastwagen verursachten Unfall ums Leben. Nicht zufällig ist das Kapitel „Probleme der Westalliierten Militärmissionen in Potsdam“ am umfangreichsten. Sehr deutlich wird auch die eingeschränkte deutsche Souveränität am Beispiel der Militärmissionen. Sowohl die Westmächte als auch die Sowjets bewiesen den beiden deutschen Regierungen stets aufs Neue deren Nichtzuständigkeit für die Kontrolle ihrer Inspektionsfahrten und auch bei der Stationierung ihrer Streitkräfte spielten sie nicht immer mit offenen Karten.

Bei besonderen Vorkommnissen hatte sich die deutsche Polizei zurückzuhalten und lediglich die jeweils zuständigen alliierten Dienststellen zu informieren. Die vier Mächte wiesen Beschwerden deutscher Stellen stets mit dem Hinweis ab, sie wollten der jeweils anderen Seite keinen Vorwand für Vergeltung bieten. Die Militärmissionen waren in fast alle Ost-West-Konflikte eingebunden und wurden zu einem Gradmesser für den Stand der wechselseitigen Beziehungen, sowohl die der Westmächte zur Sowjetunion, als auch der Bundesrepublik, der DDR und der Westmächte untereinander. Obwohl die deutschen Regierungen immer wieder die Existenzberechtigung der Militärmissionen in Frage stellten und deren Auflösung forderten, endet ihre Geschichte erst mit der Wiedervereinigung. Es ist Mußgnug gelungen, einen Ausschnitt deutscher Nachkriegs- und Verfassungsgeschichte darzustellen, wie sie sich nur in einem geteilten unsouveränen Land ereignen konnte.

Dorothee Mußgnug: Alliierte Militärmission in Deutschland. Zeitgeschichtliche Forschungen, Band 9; Duncker & Humblot, Berlin 2001, 247 Seiten, 39 Euro


 
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