© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002

 
Korrekturen zu Verdi
Julia Poser

Im Verdi-Jahr 2001 sind zum 100. Todestag des großen italienischen Komponisten eine Fülle von Büchern erschienen. Vom wissenschaftlichen Handbuch bis zum Verdi-Kochbuch reicht die Palette, doch das mit Abstand Beste ist Christian Springers Buch „Verdi und die Interpreten seiner Zeit“. Springer, selbst Sänger und Übersetzer für Italienisch, schreibt seit rund zwanzig Jahren über musikhistorische Themen, wobei sein Hauptgebiet die italienische Oper des 19. Jahrhunderts ist.

Dieses Werk bietet nicht nur wissenschaftlich fundierte Tatsachen, sondern entwirft anhand zeitgenössischer Dokumente und vor allem durch zahllose Briefe Verdis an Librettisten, Sänger, Verleger und Dirigenten ein lebendiges und authentisches Bild der damaligen Opernwelt. Springer räumt auch mit vielen falschen Histörchen auf. So wird immer wieder die Geschichte kolportiert, wonach Verdi, zutiefst verstört nach dem Tod seiner ersten Frau und der beiden Kinder, das Textbuch zu „Nabucco“ in eine Ecke geworfen hatte, wo es sich genau auf der Seite des Gefangenenchors „Va pensiero“ (Flieg Gedanke) geöffnet und Verdi sofort mit der Komposition begonnen hätte. In Wirklichkeit fing er erst fünf Monate später an, und zwar mit der Todesszene der Abigail. Auch „Aida“ wurde nicht zur Eröffnung des Suezkanals komponiert, wie häufig zu lesen ist. Und der Mißerfolg der Uraufführung von „La Traviata“ lag nicht an einer dicken Sängerin, die als lungenkranke Kurtisane angeblich unglaubwürdig gewesen sei. Trozdem werden die Geschichten munter wiederholt.

Geradezu abenteuerlich sind die Tatsachen über die Schikanen der damaligen Zensur und die ständigen Änderungen, zu denen Verdi und seine Librettisten gezwungen wurden. Neben Verdis Biographie sind seine Opern und deren Interpreten das Hauptthema. Kurz werden Leben und die Partien der Sänger der Uraufführung beschrieben. Dabei erwähnt Springer auch ganz unterschiedliche Kritiken, der Autor will seine Meinung dem Leser nicht oktroyieren. Auch komische Ereignisse läßt Springer einfließen, wie den Brief an einen Minister. Dieser hatte geäußert, „daß es seit Rossini nichts musikalisch Nennenswertes gegeben hätte!“ Verdi antwortete: „Weshalb schickt man mir die Ernennung zum Commendatore della Corona d’Italia? Es handelt sich sicher um eine Verwechslung der Adresse, weshalb ich sie zurückschicke.“ Für Verdi-Liebhaber ist das Buch mit seiner Fülle von bisher noch nicht bekannten Dokumenten unentbehrlich.

Christian Springer: Verdi und die Interpreten seiner Zeit. Holzhausen Verlag, Wien 2001, 488 Seiten, Abb., 36 Euro


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen