© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002


Ein gerissener Schachzug
von Alexander Barti

Nachdem auch die Delegierten von PDS und SPD dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben, steht der sozialistischen Regierung in Berlin nichts mehr im Wege. Bei aller Entrüstung über die Regierungsbeteiligung der (Ex-)Kommunisten, sind die Senatoren nicht zu beneiden. Der jahrelange, gemeinsam betriebene Parteienfilz von SPD und CDU hat die Hauptstadt vollkommen ruiniert, die Kassen sind leer. Die Rot-Roten agieren praktisch nur noch als Insolvenzverwalter, und daß heißt vor allem: sparen, sparen, sparen. Keine dankbare Aufgabe, wenn das Wahlvolk mehr „Brot und Spiele“ fordert.

Angesichts der hoffnungslosen Hauptstadt-Pleite entwickeln die Stars auf der politischen Bühne unterschiedliche Überlebensstrategien: Der Regierende Bürgermeister Wowereit (SPD) hat sich innerhalb kürzester Zeit zum Party-Löwen gemausert. Das lenkt wenigstens von der Misere ab und produziert lustige Bilder. Salon-Sozialist Gysi hingegen zeigt sich wieder als Meister der Taktik: Statt das flauschige Kulturressort zu übernehmen, wird er Wirtschaftssenator. Damit demonstriert er, daß die PDS auch in diesem Bereich kompetent ist, denn er wird in Zukunft mit den Bossen des (inter-) nationalen Kapitals verkehren. Auch das produziert sympathische Bilder, und wenn er trotzdem nichts reißen kann, bleibt als Ausweg immer der Verweis auf die leeren Kassen, die zudem von der SPD verwaltet werden. Letztlich entpuppt sich Gysis Wirtschaften nicht als „Opfergang“ für Berlin, sondern als gerissener Schachzug.


 
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