© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/02 18. Januar 2002


Auf dem Prüfstand
von Alexander Griesbach

Von dem berühmten deutschen Soziologen Max Weber stammt die Einsicht, daß Gesinnungslosigkeit die wichtigste Voraussetzung sei, um in einer Partei mitzuarbeiten oder aufzusteigen. Deshalb ist Skepsis auch gegenüber einem Edmund Stoiber, dem gerade ernannten Kanzlerkandidaten der Unionsparteien, angebracht. Dieser wird in der Regel als „wertkonservativ“ eingestuft. Viele, die sich politisch eher rechts der Mitte verorten, glauben bereits, in Stoiber eine Art Hoffnungsträger, bzw. Geistesverwandten sehen zu können.

Ob Stoiber wirklich der Mann ist, der eine konservative Erneuerung in Deutschland herbeizuführen in der Lage ist, muß jedoch abgewartet werden. Eine Erneuerung an Haupt und Gliedern wäre in Deutschland aber dringend vonnöten, sollen die gravierenden Probleme, die die Zukunft dieses Landes verdüstern, gemeistert werden. Diese Probleme lauten: fortschreitende Individualisierung und Ökonomisierung der deutschen Gesellschaft, steigende Kriminalität, hohe Arbeitslosenzahlen, eine immer älter werdende Bevölkerung, ein hoch verschuldeter Staatshaushalt sowie eine nach wie vor unregulierte Zuwanderung.

Bisher hat man von Stoiber nichts darüber gehört, wie er die lemurenhaften Bewegungen der deutschen Konsensdemokratie, die ihren gewohnten Trott nicht zu ändern beabsichtigt, durchbrechen will. Genau dies aber ist notwendig, wenn nach Jahren der Politiksimulation in Deutschland ein neues Politikverständnis zum Zuge kommen soll. Solange Stoiber sich der Beantwortung dieser Fragen nicht stellt, bleiben auch die Hoffnungen, die Konservative auf ihn setzen, trügerisch.


 
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