© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/02 11. Januar 2002

 
Hexenwissen für Jedermann
Naturreligiöse Gebrauchszauberei oder satanischer Hokuspokus
Claus-M. Wolfschlag

Auf unterschiedlichste Weise befassen sich Autoren gegenwärtig mit magischem Wissen und Hexenwesen: Hans Schöpfs „Volksmagie“ ist ein Leseband für volkskundlich interessierte und nostalgisch veranlagte Einsteiger. Das Buch bietet einen groben Überblick zur magischen Heilkunde. Dies geschieht als genießerische Rückschau auf meist überholte Heilmethoden. Durch seine recht unkritische Aneinanderreihung altertümlicher Mittelchen möchte Schöpf die Bedeutung des Aberglaubens betonen und zur geistigen Bewahrung des Erfahrungsschatzes unserer Ahnen beitragen (Volksmagie, Graz 2001, Styria-Verlag, 224 Seiten, 22,90 Euro).

Viel anspruchsvoller beschäftigt sich dagegen das Buch „Hexenmedizin“ mit den schamanischen Traditionen in Europa. Der Kulturanthropologe Wolf-Dieter Storl bewertet die alte Medizin der Erde als steinzeitliches religiöses Urwissen. Viel Schaden sei durch den „ideologischen Vernichtungsfeldzug“ der Inquisition, durch den Kahlschlag von Aufklärung und positivistischer Wissenschaft entstanden. Das archaische Bewußtsein der westlichen Welt sei als „satanisch“ diffamiert worden. Dennoch habe die Hexenmedizin überlebt und nutze den Geist der Elemente. Storl analysiert das westliche Naturverständnis, erklärt naturreligiöse Motive und Zauberformen. Die Kunsthistorikerin Claudia Müller-Ebeling liefert zudem eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit Naturgewalten und unseren Hexen-Bildern. Dabei setzt sie sich kritisch mit der vermeintlich jenseitig ausgerichteten und naturfeindlichen christlichen Moraltheologie auseinander. Der Ethno-Pharmakologe Christian Rätsch, ein Praktiker, beschreibt zudem die Wirkung von allerlei Mitteln, wie des Absinth, und kritisiert die gegenwärtige Drogengesetzgebung als Ausfluß angeblich katholischer Rauschfeindlichkeit. Dabei verharmlost er allerdings die Gefahren des Drogenmißbrauchs und der historischen Hippie-Exzesse (Hexenmedizin, Aarau 2001, AT-Verlag, 272 Seiten, 30,90 Euro).

Christian Rätsch zeichnet auch verantwortlich für eine Schrift über Aphrodisiaka, psychotrope Pflanzenstoffe, die auf den sexuellen Bereich der Psyche wirken und die die „der Erotik innewohnenden schöpferischen Kräfte“ stärken. Die Beschäftigung mit den sexuellen Kräften besitzt zwar in der christlichen Welt den Beigeschmack des Unmoralischen, bei anderen Völkern der Welt, vor allem in Fernost, werden Aphrodisiaka dagegen gerne genutzt. Sie dienen der Verführung, der Wiedererweckung und Stärkung der Potenz, der Steigerung und Erhaltung der Lust oder der Behebung von Unfruchtbarkeit. „Pflanzen der Liebe“ bietet einen ausführlichen Überblick über den Gebrauch pflanzlicher, tierischer und mineralischer Wirkstoffe, begleitet von einem umfangreichen Pflanzenlexikon und Rezeptvorschlägen (Pflanzen der Liebe, Aarau 2001, AT-Verlag, 208 Seiten, 26,90 Euro).

Claudia van der Sluis besitzt zwar einen Hexen-Bildschirmschoner und plant private Urlaubsfahrten zu Hexensehenswürdigkeiten, versichert aber, daß moderne Hexen ganz normale Menschen mit normaler Kleidung und normalem Arbeitsplatz seien. Sie leben nach paganistischen Prinzipien im Jahreslauf der Natur, sind praktisch orientiert und wie die ursprünglich von den dortigen Menschen geschätzte Kräuterfrau, manchmal in Wicca-Bünden organisiert. Sluis Buch dient der Praxis, der Herstellung von Gerätschaften, der Gestaltung ritueller und magischer Tätigkeiten oder von Jahresfesten, dem Erlernen der Wahrsagekunst mit Tarot, Runen oder Pendeln. Außerdem werden Steine, Kräuter und Grundsymbole erklärt. Die sehr verständlich dargelegten praktischen Anleitungen reichen vom Ausschneiden von Kürbis-Fratzenmustern über das Binden von Strohpüppchen bis zum Schnittmuster für ein Hexengewand. Zudem erzählen mehrere moderne Hexen interessante Details aus ihrem Leben 

(Alte Traditionen. Moderne Hexen, Amsterdam 2001, Iris Bücher und mehr, 160 Seiten, 18,90 Euro).


 
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