© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/02 11. Januar 2002

 
CD: Jazz
Sinnliches
Michael Wiesberg

Der Musikverlag Raumklang, der 1993 gegründet worden ist, hat seinen Sitz im malerisch gelegenen Schloß Goseck , das auf einem Steilhang über dem Saaletal liegt. Als Grenzburg bereits im Hersfelder Zehntregister erwähnt, wurde Burg Goseck vermutlich schon im 9. Jahrhundert von einem Thüringer Grafengeschlecht errichtet. Letzte Besitzer (1840-1945) waren die Grafen von Zech-Burkersroda. Nach der Enteignung im Jahre 1945 diente die Schloßkirche zeitweise als Kornspeicher. Wertvolle Kunst- und Kulturgüter der Schloßanlage wurden zerstört, beschädigt und teilweise abtransportiert. Seit 1997 ist eine Stiftung Eigentümer. Durch umfangreiche Sicherungsmaßnahmen konnte der Verfall gestoppt werden. Seit 1998 werden schrittweise Voraussetzungen für die langfristige Nutzung als ein Zentrum für mittelalterliche Musik geschaffen.

Raumklang ist jedoch nicht nur ein audiophiles Projekt, sondern auch ein philologisches: Die Rekonstruktion alter und älterer Musik wird mit selten gewordener Akribie betrieben, wobei verloren gegangene Notationen kreativ ausgefüllt werden müssen. Raumklang als Markenname kündet vom Anspruch, mit Klängen und Räumen auf natürliche Art und Weise umzugehen. So entstehen Raumklang-Produktionen mit einem einzigen Stereo-Kugelflächen-Mikrophon, ohne Verwendung elektronischer Effektgeräte. Dieses sogenannte One-Point-Recording ermöglicht bei optimaler Lautsprecheraufstellung oder unter Kopfhörern ein besonderes Klangerlebnis, da der Hörer quasi den Platz dieses einzigen Mikrophons einnimmt und so in den Aufnahmeort hineinversetzt wird. Die akustischen Besonderheiten einer großen romanischen Basilika mit langen Nachhallzeiten, die interessanten Klang-Reflexionen und das Echoverhalten in einem alten, unterirdischen, kreisrunden Wasserspeicher oder der warme, dichte Klang einer kleinen barocken Schloßkapelle werden so zum Hörerlebnis.

Einen Schwerpunkt der Veröffentlichungen bildet die Alte Musik mit bekanntem und unbekanntem Repertoire, darunter etliche Neuentdeckungen und Ersteinspielungen. Historisches Instrumentarium, virtuose und professionelle Interpretation sind für Raumklang ebenso maßgebend wie Stilsicherheit, Sinnlichkeit, Originalität und Lebendigkeit im Umgang mit der Musik. Raumklang-Tonträger erscheinen in der Regel nicht in der üblichen Plastik-Box, sondern in einem Kartoneinband. Die anspruchsvolle grafische Gestaltung und umfangreiche, informative Texthefte sind ebenfalls Markenzeichen von Raumklang.

Eine Ausnahme davon macht die soeben erschienene CD „Santur“ (RK 1013) von Michael Metzler und Jean Walther, auf der beide Musiker ihre Virtuosität voll entfalten. Die Santur ist eine Art Zither mit 72 Saiten. Aus ihr wurden das mittelalterliche Psalterium, das Zymbalum und später das Klavier entwickelt. Das Instrument wird im Schneidersitz auf dem Schoß liegend gespielt. Die Schlägel sind hölzern, ohne Belag und relativ schwer. Auf der Decke stehen an beiden Seiten je 15 Holzstege, über die je zwei oder drei Saiten laufen. Angeschlagen werden die durch die Stege geteilten Saiten nur auf der zur Instrumentenmitte gelegenen Länge, so daß das Instrument über 30 Töne mit insgesamt 60 oder 90 Saiten verfügt.

Die Santur, ein in der arabischen Welt sehr populärer Hackbrett-Typus, bildet einen Schwerpunkt der musikalischen Arbeit des geborenen Leipzigers Walther, der sich vorrangig südeuropäischer und orientalischer Musik widmet. Der ebenfalls aus Leipzig stammende Michael Metzler (Rahmentrommeln, Dutar) ist durch Rundfunk- und Fernsehaufnahmen einem größeren Publikum bekannt geworden. Darüber hinaus ist Metzler ein international gefragter Dozent zum Thema historische Perkussion. Die CD „Santur“ kann nur über das Internet ( www.raum-klang.de ) bestellt werden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen