© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/02 11. Januar 2002

 
PRO&CONTRA
Ist der Euro schön?
Prof. Dr. Helmut Kurz / Peter Noever

Aus meiner Sicht gibt es zwei Beurteilungsaspekte, sowohl der Banknoten als auch der Münzen. Zunächst ist da der Gebrauchsnutzen, also der rationale Nutzen für die Bevölkerung der einzelnen Länder, für die Verwender des Geldes. Der zweite Beurteilungsgesichtspunkt ist der ästhetische Aspekt. Dieser ist differenzierter, da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind.

Zum Gebrauchsnutzen aus der Sicht der Werbeforschung, der Wahrnehmungs- und Gestaltungspsychologie ist zu sagen, daß die Hausaufgaben gemacht wurden. Sowohl die Noten als auch die Münzen sind im Hinblick auf ihr Aussehen, ihre Größe, Gestaltung und Farbe sehr unterschiedlich. Damit ist die Gefahr einer Verwechslung - insbesondere unter ungünstigen Wahrnehmungsbedingungen, wie zum Beispiel in einer Diskothek - eigentlich sehr gering. Was nützt denn die schönste Ästhetik von einem Geldschein, wenn ich einen Fünf-Euro-Schein im Dunkeln mit einem Fünfhunderter verwechsele? Die Noten unterscheiden sich nicht zuletzt deshalb so deutlich in der Größe, nicht wie in den USA, wo jede Dollarnote die gleiche Größe und Farbe besitzt und die Zahlen auch schwer zu erkennen sind.

Die Münzen haben auch Unterschiede, die von Vorteil sind. Sicherlich sorgen in der Übergangszeit sich mischende Münzen für einige Verwirrung, da sie auf ihrer Rückseite unterschiedliche Symbole haben. Dies wird sich aber nach einer Gewöhnungsphase geben, dann werden sie alle anhand der Größe und Farbe jeder Münze identifizieren können. Etwas unglücklich ist allerdings in Österreich die Zehn-Cent-Münze, die auf der Rückseite den Stefansdom von Wien mit abgeschnittener Spitze darstellt. Ansonsten haben die Österreicher mit Wolfgang-Amadeus Mozart auf der Rückseite der Euro-Münze eine wichtige historische Identifikationsfigur bekommen. Da ist das Bedürfnis nach nationalen Symbolen auf dem Geld befriedigt.

 

Prof. Dr. Helmut Kurz ist Dozent in der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien.

 

 

Europa ist nichts eingefallen als der sinnloseste, schmerzhafteste Abklatsch. Jede 500-Lire-Münze ist mehr sexy als diese Währung. Vielleicht ist aber auch nicht mehr hinter Europa als die kommerzielle Idee, die sich in diesen Münzen ausdrückt, die fälschungssicher, für Blinde lesbar usw., kurz rein funktionell sind. In Aussehen und Ästhetik gleichen sie den Schweinchen-Talern, die zu Silvester an jeder Ecke verkauft werden.

Was hätte man tun sollen? Die Schweizer haben Giacometti und Le Corbusier auf ihren Scheinen, das ist um eine Spur intelligenter. Stars and Stripes, die Euro-Münzen richten sich nach US-Standards. Aber die Gründung der USA, das waren ganz andere Zeiten. Die europäische Idee ist Differenzierung, die drückt sich hier nicht aus. Und die Symbole für Österreich sind nur die abgedroschensten, die man finden konnte: Mozart, Alpenblumen. Die Herausforderung hätte darin bestanden, sich dem Thema breiter zu nähern, vielleicht über die wahre, neue Währung, die Plastikkarte. In einem Supermarkt in Venedig habe ich eine Venezianerin beobachtet, die versuchte eingeschweißte Tomaten zu prüfen, die vermutlich aus Finnland oder Holland kamen. Keine italienische Frau will so etwas kaufen, weil das Entscheidende für die italienische Küche Frische und Qualität sind. Statt daß man mit dem Spezifischen international punktet, wird alles vereinheitlicht, was Europa interessant und einmalig machen könnte. Es gibt eine schleichende Entmündigung des Bürgers, der behandelt wird wie ein kleines Kind.

Die Architektur in Europa-Städten wie Straßburg oder Brüssel ist schauerlich, dagegen ist der Ringstraßenstil kreativ. Unsere Politiker lassen sich ja auch noch immer vor den Symbolen der Monarchie photographieren. Wir haben nie den Sprung zur Republik gemacht und so sehen auch die Euro-Münzen aus: Anspruchsloser geht's nicht.

 

Peter Noever ist Direktor und künstlerischer Leiter des Museums für Angewandte Kunst (MAK) in Wien.


 
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