© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Blick in die Medien
Rückblick
Ronald Gläser

Das Wort des Jahres 2001 ist „11. September“. Den Karlspreis erhält der Euro. Zum Mega-TV-Star 2001 avancierte der Dauer-Langweiler Günther Jauch. Wie einfallslos sind die Menschen, die auf ein Jahr rückblickend Noten verteilen? Ein besserer Vorschlag: Ultimativer Gewinnertyp 2001: Rudolf Scharping. Er ist das größte Stehaufmännchen seit Napoleon Bonaparte und hat alle Widerstände überwunden. 1994 unterlag er Helmut Kohl. 1995 schaßte ihn Oskar Lafontaine. Sein Ziel verliert er trotzdem nie aus den Augen. Seit 1945 war in Deutschland militärisch Ruhe im Karton. Damit ist jetzt Schluß. Unter allerlei pazifistischen Decknamen ist die Wiederbewaffnung in vollem Gange. Zu Jahresbeginn mißlang ein Anschlag auf seine Autorität, als Nato-Uranmunition mit zahlreichen Krebsfällen in Verbindung gebracht wurde. Wieder schlugen pazifistische Wirrköpfe zu. Sie behaupteten, er habe sich serbische Kriegsverbrechen einfach ausgedacht, um die Kriegsbegeisterung zu wecken. Eine großangelegte Verschwörung traf ihn im Sommer, als er des Geheimnisverrats bezichtigt wurde. Scharping solle den Marschbefehl deutscher Soldaten preisgegeben haben, hieß es. Wegen der Flüge zu seiner Freundin auf Mallorca geriet er abermals in die Kritik. Erst am 11. September wurde sein Format ins Bewußtsein aller zurückgerufen. Jetzt darf er Budgeterhöhungen einfordern und neue Eingreiftruppen aufstellen. Das Time-Magazin sollte ihn, anstelle des bankrotten Osama bin Laden - zum Mann des Jahres küren.


 
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