© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Erlebnis pur: Der Gewinner des Autorenwettbewerbs zu Gast in Berlin
Bier, Currywurst & Hertha BSC
Steffen Königer

Freitag acht Uhr siebzehn, Bahnhof Zoologischer Garten, vor dem großen Bildschirm am „Info-Point“: Ich warte auf den Gewinner des diesjährigen Autorenwettbewerbes, Christian Moser aus Österreich. Nach intensivem Epost-Kontakt hat der Verlag ihn - wie ausgelobt - nach Berlin eingeladen und er war von Wien aus im Schlafwagenabteil in die deutsche Hauptstadt gefahren. Keine Ahnung, wie er aussieht, ob ich auf einen Zwei-Meter-Mann achten sollte oder mehr auf Leute, die italienische Körpergröße besitzen. Acht Uhr dreißig: Deutsche Bahn - der Zug hat Verspätung. Jemand schaut sich vor mir fragend um und gräbt in seinem Rucksack nach dem Mobiltelefon. „Isser das?“ frage ich mich, da er auch in meine Richtung schaut. Kurz darauf klingelt mein Telefon - richtig, er ist es! Kurzer Handschlag und Kontakt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, denn mit dem Auto würde es länger dauern.

Mit U- und S-Bahn eine kurze Reise in die Redaktion - großes Hallo: So sieht also der Sieger unseres Autorenwettbewerbes aus! Rundführung durch unsere Räume, Neugier bei allen Mitarbeitern auf den Gast aus Wien. Die Teilnahme an der Redaktionskonferenz haben wir ihm zugemutet, ja sogar in den Keller mit dem Archiv haben wir ihn gezerrt. Kurzprogramm im Vollwaschgang sozusagen.

Lange wollten wir ihn aber nicht malträtieren mit den alltäglichen Wirren des Redaktionslebens, so fuhr ich mit ihm nach der Quartiernahme in meiner Potsdamer Wohnung (bei zwölf Grad unter Null mußte erst noch einmal eingeheizt werden) in das pulsierende Nachtleben von Berlin. Der innigste Wunsch eines Österreichers: Erst deutsches Bier trinken - seiner Meinung nach das einzig genießbare Bier der Welt - und dann noch die eine oder andere Currywurst verzehren. Dabei mußte ich feststellen, daß die deutsche Hauptstadt zwar mit Pizza-Buden, Chinapfannen-Läden und natürlich mit Döner-Ständen übersät ist; nach einer richtigen „Currywurscht-Kaschemme“ suchten wir jedoch lange Zeit vergebens. Zum Glück gibt es noch einzelne Exemplare: Da die bekannteste und älteste Currywurst-Bude „Konnopke“ jedoch schon abends um acht die Pforten schließt, konnten wir uns an der Friedrichstraße den Bauch vollschlagen. Dann ging es in die „richtig finstere Szene“. Kurzerhand wurde die für den nächsten Vormittag geplante Stadtrundführung auf kurz nach Mitternacht vorverlegt: „Da rechts ist der Potsdamer Platz, linker Hand die Museumsinsel, dahinter der Dom, Alexanderplatz, Tränenpalast, wiederum rechts …“. Leichter Schwindelanfall vom dauernden Kopfdrehen - es gibt eine Menge zu zeigen und Berlin schläft nie! Das mußte attestiert werden, als wir nach einigen Klubbesuchen morgens gegen halb sieben in den Genuß eines Frühstücks kamen: „Machen die denn hier nit zua?“ Polizeistunde ist hier in Berlin zum Glück noch ein Fremdwort. Um acht fielen wir völlig erschöpft ins Bett.

Samstag, klirrende Kälte. Auf zum versprochenen Fußballspiel zwischen dem Tabellenführer Bayer Leverkusen und der Heimmannschaft Hertha BSC Berlin. Zwei Unterhosen und Winterstiefel anziehen, Mütze und Handschuhe einpacken und nach kurzer Reise mit der S-Bahn treffen wir die halbe JF-Mannschaft auf den oberen Rängen des Olympiastadions, die andere Hälfte ist wohl irgendwo festgefroren. Die Arena befindet sich momentan im Umbau, und von den 50.000 möglichen Plätzen sind nur 36.000 besetzt. Was heißt eigentlich nur? Bei den Außentemperaturen und dem Wind ist das hervorragend. „Woansinn!“, entfährt es dem Österreicher einige Male. Inmitten von richtigen Fußballanhängern geht es dann zur Sache: „Schiri, Du ...“ wird der Unparteiische „kritisiert“. Überhaupt scheint es unter den Herthanern viele zu geben, die prophetische Eigenschaften haben: „Dit wird doch nüschte, dit seh’ ick ja jetze schon!“ Zonk, hat ein Herthaner dem heranstürmenden Gegner den Ball von Fuß gespitzelt. „Mann, mann, mann, mann, mann! Jib doch mal Jas!“ Und? - Tooor! Ist schon erstaulich: Elf Spieler und 35.000 Experten. Man wünscht sich unwillkürlich auf den Rasen, um mal rennen zu können. Gute Stimmung in der Truppe und ein paar Gläschen Glühwein kommen aber gegen die Kälte ganz toll an. Da stören auch die zwölfjährigen Hertha-Fans vor uns nicht so, die uns immer fast mit den mitgebrachten Fahnen in die Augen pieken. Nach 94 Minuten der erlösende Schlußpfiff für Hertha: 2:1 geben die Berliner den Leverkusenern „Eens mit uff’n Heimweech“ und alle toben mit. „Der Woansinn“, befindet unser Gast. Gut, daß es solche Gelegenheiten gibt, sonst hätten manche aus der Redaktion wohl auch nicht ihr erstes Erlebnis in einem Fußballstadion gehabt.

Zur Entspannung fahren wir zu den Hackeschen Höfen, um in den S-Bahn-Bögen - na, was wohl - ein deutsches Bierchen zu genießen, natürlich nicht ohne vorher bei „Wurst-Maxe“ in Charlottenburg die obligatorische Currywurst zu verspeisen. Eine Kneipentour, die Oranienburger Straße entlang, läßt dann gegen drei Uhr morgens den Abend wohlig ausklingen. Christian ist am Sonntag beim Einsteigen in den Zug mächtig beeindruckt. Er hofft auf den nächsten Autorenwettbewerb, vielleicht gewinnt er ja erneut…

Fototext: Die JF-Redaktion im Olympiastadion: Christian Moser (l.) neben Dieter Stein beim Fußballspiel von Hertha BSC inmitten von 35.000 frierenden, aber zum Schluß feiernden Fußballanhängern - gewinnen lohnt sich eben!


 
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