© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/02 04. Januar 2002

 
Die Bewährung steht noch aus
Parteien: Ronald Schill wird von den Rechtsparteien beargwöhnt / Trotz programmatischer Überschneidungen hofft man auf seine „Entzauberung“
Peter Freitag

Die aussichtsreichen Chancen der Schill-Partei, sich als neue politische Kraft auch außerhalb Hamburgs etablieren zu können, sind nicht nur eine Herausforderung an die etablierten Parteien, sondern vor allem auch an die kleineren konservativen oder rechten. Eine aktuelle Emnid-Umfrage hat ergeben, daß 59 Prozent der Wähler rechter Parteien sich vorstellen könnten, ihr Kreuz bei Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive zu machen.

Der doppelte Vorteil dieser Partei ist es, daß sie einerseits durch programmatische Überschneidungen für konservative oder rechte Wähler attraktiv ist, und andererseits aber nicht (mehr oder noch nicht) pauschal als extremistisch stigmatisiert wird: 57 Prozent der von Emnid Befragten halten Schills Truppe nicht für rechtsradikal.

Die im April anstehende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt stellt die nächste Bewährungsprobe für das bisher erfolgreiche Schill-Konzept dar. Wie groß das dortige Protestwähler-Potential ist, zeigte sich bei den letzten Landtagswahlen, bei denen die Deutsche Volksunion (DVU) aus dem Stand mit 12,9 Prozent in den Landtag einziehen konnte. Die nach dem Zerwürfnis mit Gerhard Freys Münchner Parteizentrale aus der Sachsen-anhaltinischen DVU hervorgegangene Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) tritt nun ohne den finanzstarken süddeutschen Protegé an. Dennoch gibt man sich dort optimistisch und sieht die eigenen Wahlchancen nicht durch die Schill-Partei geschmälert.

„Wir rechnen mit 15 Prozent für uns“, sagte Claus-Dieter Weich, stellvertretender Vorsitzender der FDVP-Landtagsfraktion, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Obwohl in der Presse die Arbeit der FDVP verschwiegen und die neue Partei Rechtsstaatlicher Offensive großgeredet werde, betont Weich den Vorteil seiner Gruppierung, daß sie bereits über parlamentarische Erfahrung vor Ort verfüge: „Die Leute kennen uns, wir sind eine mitteldeutsche Partei in Sachsen-Anhalt und nicht von außen.“ Ob dies als positives Unterscheidungsmerkmal zur Schill-Partei ausreichen wird, erscheint zweifelhaft. Denn auch diese setzt auf eine ortsansässige Mannschaft, betont mit Direktwahlrecht jedes Mitglieds ihre Basisdemokratie und rekrutierte bereits erfolgreich erfahrene Mandatsinhaber und Multiplikatoren. Schließlich ist auch der Erfolg der DVU bei den letzten Landtagswahlen zu einem guten Teil dem aus dem Westen kommenden Kapital- und Personaleinsatz geschuldet gewesen.

Die Republikaner setzen eher auf eine längerfristige Entzauberung Schills. Man wolle mit einer Kampagne mögliche Schill-Wählern aufklären, worin die Unterschiede des Hamburger Parteigründers zu „tatsächlichen Patrioten und Konservativen“ liegen, so Bundesgeschäftsführer Tempel gegenüber der JF. Daß ausgerechnet der Klinikbetreiber Ulrich Marseille als Koordinator für Sachsen-Anhalt eingesetzt worden sei, treibe - so Tempel - bisherige Schill-Sympathisanten wieder in die Arme der PDS. Die von Marseille angestrebten 30 Prozent hält man bei den Republikanern für unrealistisch, man rechne jedoch mit einem Ergebnis von über fünf Prozent für die Schill-Partei.

Schill-Partei kostet anderen rechten Listen Stimmen

Eine ausdrückliche Profilierung gegen die Partei Rechtsstaatlicher Offensive lehnen die Republikaner ab: „Wir machen keine Wahlkämpfe gegen jemanden, sondern nur für uns selbst“, so Tempel. Die Entscheidung, ob man mit einer Liste zu den sachsen-anhaltinischen Landtagswahlen antreten werde oder nicht, halte man noch offen; sie wird wahrscheinlich auf der nächsten Sitzung des REP-Bundesvorstandes im Februar gefällt.

Die Deutsche Partei (DP) dagegen betont ihre inhaltlichen Überschneidungen mit der Schill-Partei und deutet an, daß sie einen unnötigen Konkurrenzkampf vermeiden möchte. Bereits Anfang November vorigen Jahres habe man daher einen Brief an Schill geschrieben, so der DP-Bundesvorsitzende Heiner Kappel zur JUNGEN FREIHEIT, in welchem man „gern unsere Zu- und Mitarbeit, wenn es gemeinsam um das Wohl unseres Landes geht“ angeboten habe. Bedauerlich findet Kappel es jedoch, daß von Schill dazu bislang noch keine Antwort gekommen sei. Wegen der großen programmatischen Nähe „wäre es deshalb schade, wenn Herr Schill auf unseren Brief tatsächlich nicht antworten würde oder es am Ende zu einem weiteren unsinnigen Gegeneinander käme“, so Kappel in der Dezember-Ausgabe der Deutschland Post.

Allem Zweckoptimismus zum Trotz: Die Schill-Partei wird anderen rechten Listen Stimmen kosten und manche von ihnen weiter marginalisieren. Denn ihre Attraktivität liegt nicht zuletzt darin, daß sie als Koalitionspartner für einen Regierungswechsel zur Verfügung stehen könnte und im bürgerlichen Lager nicht als „verbrannt“ gilt. Und allen Hoffnungen zum Trotz wird der übervorsichtige Schill auch weiterhin jeden Schritt (beispielsweise in Richtung anderer rechter Parteien) vermeiden, der zu seiner Stigmatisierung führen könnte.

Die Möglichkeit, eine zukünftige Regierungspartei mitzuwählen anstatt eine Stimme „zu verschenken“, wird auch Skeptiker zu einem Kreuz bei Schill bewegen. Um es mit dem Emnid-Direktor Schöppner zu sagen:„Lieber mit Schill regieren, als mit reiner Lehre opponieren.“ Eine langfristige „Entzauberung“ bleibt dabei allerdings nicht ausgeschlossen.

Derweil ist Ronald Schill in Hamburg eine belastende Bürde los: Am 21. Dezember sprach das Hamburger Landgericht den Zweiten Bürgermeister und Innensenator von dem Vorwurf der Rechtsbeugung frei. Zuvor hatten sowohl Schills Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert. Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft, die in der erstinstanzlichen Verhandlung Schill sogar zu einer Haftstrafe wegen Freiheitsberaubung verurteilt sehen wollte, nährt den vom Angeklagten zuvor immer wieder geäußerten Verdacht, das Verfahren sei in erster Linie politisch motiviert gewesen. Denn neue juristische Fakten hat das Revisionsverfahren nicht hervorgebracht, so daß der Sinneswandel der Strafverfolger, die nun auch ihrerseits dem Amtsrichter a.D. Schill keinen Vorstatz zur Verschleppung der Haftbeschwerden mehr unterstellen wollten, verwundern muß.


 
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