© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Daisy, Ken und die Sumo-Ringerinnen
Kino III: „Secret Society - Der Club der starken Frauen“ von Imogen Kimmel ist ein modernes Märchen
Werner Olles

Daisy (Charlotte Brittain) ist zwanzig, ziemlich dick, mit einer entwaffnend unschuldigen Seele gesegnet und außerdem auch noch mit einem arbeitslosen Ehemann geschlagen. Der notorische Versager Ken (Lee Ross), der mit seinen Kumpels und viel Bier im Videoladen die Zeit totschlägt, träumt, wenn er gerade einmal nüchtern ist, davon, mit geschmacklosen Fotos von Daisys Brüsten auf Sexpostkarten reich zu werden. Aber die ist mit ihrem Leben mehr als unzufrieden, denn sie hat längst gemerkt, daß Kens Pläne zu nichts führen. Als sie in der örtlichen Konservenfabrik einen Job annimmt, lernt sie dort die Geschäftsführerin Marlene (Annette Badland) und ein halbes Dutzend weitere dicke Frauen kennen, die alle einer heimlichen Leidenschaft frönen: dem Sumo-Ringen. Nach einigem Zögern schließt sich Daisy der Gruppe, die sich selbst „Secret Society“ nennt, an. Aber nun beginnt Ken, der von den verborgenen Aktivitäten seiner Frau keine Ahnung hat, sich ernsthaft Sorgen zu machen über ihre merkwürdige Wandlung, die er nicht verstehen kann. Verzweifelt über ihre häufige Abwesenheit trinkt er mehr als je zuvor, und durch die Science-Fiction-Videos, die er sich zusammen mit seinen Kumpels anschaut, vermischen sich bei ihm langsam aber sicher Realität, Phantasie und Filmwirklichkeit.

Schließlich ist er sogar davon überzeugt, daß Außerirdische von Daisy Besitz ergriffen haben. Eines Abends verfolgt er sie und platzt genau in ihre Premiere als Sumo-Ringerin. Halb wahnsinnig vor Angst, stürzt er sich in den Ring, um sie zu retten, aber gegen die Kraft und gegen das Gewicht von sechs begeisterten Sumo-Ringerinnen hat der schmächtige, schmalbrüstige Ken keine Chance. Halb zerquetscht landet er mit gebrochenen Rippen im Krankenhaus. Beschämt verläßt Daisy nach diesem Vorfall die Gruppe und posiert wieder für Kens Fotos. Als sie aber ein paar Wochen später im Fernsehen den Wettkampf zwischen ihren „Secret Society“-Frauen und einer Gruppe männlicher japanischer Sumo-Ringer verfolgt, kann auch Ken sie nicht mehr aufhalten...

„Secret Society - Der Club der starken Frauen“ ist ein Film über die Liebe, über das Dicksein, über die Schönheit und über den Traum, daß jeder im Leben eine Chance haben sollte. Daisy und Ken, die beide durch ein tiefes seelisches Band verbunden sind, daß jedoch durch den Lebens- und Geschlechterkampf auf eine harte Zerreißprobe gestellt wird, gehen wie in alten Mythen auf eine lange, gefahrvolle Reise, bevor sie endlich sicher im Hafen der Liebe ankommen. Erst am Ende sind sie gereift und fähig, den anderen als Ganzes und nicht nur als das eigene Wunschbild zu erkennen und zu lieben.

Der realistische und lebensnahe Stil, den die Regisseurin Imogen Kimmel („Augen...Blicke“) bei ihrer Inszenierung anwendet, trägt nicht wenig zu dieser social comedy bei. So werden menschliche Schwächen, zum Beispiel Kens Vorliebe für Bier und bizarre Splattermovies, mit jenem gesalzenen Humor geschildert, der das Komische in den Charakteren selbst findet. Die britische Filmkomödie scheint hier in ein neues Stadium eingetreten zu sein, denn die naive Direktheit und der liebenswürdige, fast romantische Ton lassen die dicken Frauen vielleicht manchmal ein wenig skurril erscheinen, aber niemals zu Karikaturen verkommen. Im Gegenteil: Kamera und Licht stellen da Schönheit und Anmut her, wo eine Gesellschaft, die fast nur noch an die klapperdürren Gestalten aus der Werbung gewöhnt ist, meist nur Plumpheit und Häßlichkeit sieht.

Wie ein Pendel schwingt der Film so zwischen herbem Realismus, romantischer Phantasie und einer amüsanten, bisweilen tragikomischen Liebesgeschichte. Mit dieser Meisterkomödie hat das britische Filmlustspiel völlig seinen Stil gewandelt und erstaunlich geschickt ein modernes Märchen greifbar und glaubwürdig gemacht und lächelnd wieder einmal bewiesen, daß man auch heute durchaus noch eine hinreißende Komödie drehen kann. 


 
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