© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Zeitschriftenkritik: Krachkultur
Suggestive Sprachgewalt
Werner Olles

Neun Ausgaben sind bislang von dem unregelmäßig in einer Auflage von etwa eintausend Exemplaren erscheinenden Literaturmagazin Krachkultur erschienen. Die Zeitschrift gehört zu jenen unabhängigen „little mags“, die ihre Individualität dadurch unterstreichen, daß sie ihren Lesern durchaus auch „konventionelle“ Gegenwartsliteratur präsentieren. Genormte „Mainstream“-Ware wird man hier dennoch vergeblich suchen, aber auch vor Selbstgefälligkeit, Selbstverliebtheit und Selbstdarstellungssucht strotzende Texte der „Alternativliteratur“, bei der es nicht geschadet hätte, wenn das meiste davon unveröffentlicht geblieben wäre, haben hier Gott sei Dank keine Chance.

Als Literaturforum für Autoren sind Magazine wie Krachkultur unverzichtbar. Und in der Tat finden sich in den hier vorliegenden Essays ebenso wie in der Prosa und Lyrik Widerstand, Trost und Hoffnung, die dem heutigen bloßen Schein der Kunst und Ästhetik in exemplarischen Beobachtungen von Alltagsgeschichten Handlungen entgegensetzen, die ihren besonderen Reiz darin finden, unverwechselbar zu sein. Nehmen wir beispielsweise die wundervolle Erzählung des literarischen Außenseiters Emmanuel Bove „Was ich gesehen habe“: Bove schildert die Fremde zwischen Mann und Frau, legt die Abgründe bloß, die zwischen den Geschlechtern herrschen und plädiert bei aller Resignation und Skepsis doch dafür, es immer wieder miteinander zu versuchen. Obwohl das Paar, das im stummen Einvernehmen nebeneinanderher lebt, fast an den Besitzansprüchen des eifersüchtigen Mannes scheitert, liest sich die Erzählung wie ein einziger Appell an die Liebe, die gleichwohl ständig mit der ganzen rührenden Absurdität des menschlichen Daseins zu kämpfen hat.

Auch die anderen Erzählungen sind eigentlich Varianten der immer gleichen Thematik. Da ist in Wolfgang Schömels „Gesichtszerfall“ der Barbesucher, der sich nach einer verwirrenden Begegnung mit einer schwarzhaarigen Schönen an der Theke beim Blick in den Spiegel seiner selbst unsicher wird und darauf den geordneten Rückzug antritt. In Daniel Dubbes „Kein Interesse für L.A.“ macht sich ein Mann auf den Weg in die amerikanische Provinz. Szenen, Dialoge, Berührungen von lakonischer Genauigkeit wechseln sich hier ab mit schwarzem Humor. Bei Eva Schmidt hingegen geht es um den doppelten Boden des Glücks, um die Illusionen der Leidenschaft, wenn die Autorin uns in „Dienstagabend ist an sich kein guter Zeitpunkt“ zu unfreiwilligen, gierigen Voyeuren macht, denen sie dann im letzten Moment geschickt die Tür vor der Nase zuschlägt. Ähnlich bei Martin Brinkmanns Erzählung „Stadionbad“, die einen an den großen Wiener Psychiater Victor Frankl erinnert: „Je mehr es einem um die Lust geht, umso mehr vergeht sie einem schon.“

In vielen Literaturzeitschriften sind die Texte, sobald sie am Ende ihren charakteristischen Ton gefunden haben, schon dem Vergessen anheimgegeben. In Krachkultur wundert man sich dagegen noch lange über die suggestive Sprachgewalt der Autoren, die sich gerade auf die kürzere Form meisterhaft verstehen.

Bunte Raben Verlag. Steinbergshörner Str. 18, 27624 Lintig-Meckelstadt. Der Einzelpreis beträgt 18 Mark.


 
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