© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Ein gute Stube wird zugesperrt
Die „Frankfurter Allgemeine “ stellt ihre traditionsreiche Tiefdruckbeilage „Bilder und Zeiten“ zum Jahresende ein
Thorsten Thaler

Die gute Nachricht zuerst: Die Art und Weise, wie die Leitung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Einstellung ihrer traditionsreichen Samstags-Tiefdruckbeilage „Bilder und Zeiten“ zum Jahresende ankündigte, war journalistisch vorbildlich.

Da wurde nicht, wie sonst bei solchen Gelegenheiten üblich, Plage zu Wohlfahrt schöngeredet, eine Niederlage frech in einen Sieg uminterpretiert, sondern es wurde ehrlich zugegeben, daß man sich ein solches Luxusprodukt, wie es die Beilage war, in den heutigen harten Zeiten schlichtweg nicht mehr leisten könne. Rückgang der Anzeigen, von deren Erlös „Bilder und Zeiten“ lebte, mangelnde Druckkapazitäten, allzu lange Vorlaufzeiten: nichts wurde beschönigt, alles wurde beim richtigen Namen genannt. Wie gesagt: Vorbildlich.

Und nun die schlechte Nachricht: „Bilder und Zeiten“ wird also tatsächlich eingestellt. Ein echtes Stück deutsche Zeitungsgeschichte wird beerdigt, eine „gute Stube“ zugesperrt, und ihre Benutzer werden mit dürren Worten auf das zauselige, unausgeruht zusammengeschusterte und von vielen Banalitäten verbilligte Tagesfeuilleton verwiesen. Eine ganz schöne Zumutung für die Leser! Und es tröstet auch der Hinweis nicht, daß dieses Tagesfeuilleton doch in der letzten Zeit quantitativ gewaltig ausgeweitet worden sei und Platz für alle und alles biete.

Wieder einmal ist die Qualität der Quantität geopfert worden. Die berüchtigte Tonnenideologie hat gesiegt: Masse statt Klasse, Kasse statt Rasse. Daß dieser Trend vor keiner Tür mehr Halt macht, ist das eigentlich Deprimierende an der Nachricht. Es gibt immer weniger Alternativen, alle müssen in dieselbe Wartehalle, auch wenn diese ein Pissoir ist. Und niemand weiß, wie lange er auf bessere Zeiten warten muß. Armes Deutschland!


 
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