© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Abschaffung der Monarchie angestrebt
Belgien: Neue Partei N-VA für eine Republik Flandern / Neuaufstellung und Spaltung der „gemäßigten Nationalisten“
Jan Mulkens / Jörg Fischer

Als sich die EU-Staats- und Regierungschefs vergangenen Freitag zu Ihrem letzten Gipfel unter belgischer Präsidentschaft im Königsschloß Laeken trafen, war im Gastgeberland Belgien vieles anders als zu Beginn des belgischen EU-Vorsitzes im Juli. Den wichtigsten Umbruch gab es im Parteiensystem Flanderns: Seit Herbst ist nichts mehr wie es war. Neue Gruppierungen schossen in Belgiens niederländischsprachigem Norden aus dem Boden, alte gingen unter oder wandelten ihre Namen.

Die Sozialistische Partei, ehedem SP geheißen, sieht sich „s-ozial, p-rogressiv und a-lternativ“ und hängte, des Alternativen wegen, ein „A“ an: SP.A. Während bei den deutschen Liberalen die Punkte gänzlich aus der Mode gekommen sind, tat die Hinzufügung des Pünktchens hier dringend Not, um die Verwechslung mit einem beliebten belgischen Sprudel zu verhindern. So viel Innovation wollte die christdemokratische CVP nicht nachstehen und machte sich im selben Monat zur CD&V, was für „Christen-Democratisch en Vlaams“ (… und flämisch) steht. Dissidenten der CD&V gründeten die NCD, die sich einer „Neuen Christdemokratie” zuwenden möchte. Nur die „Vlaamse Liberalen en Democraten“ (VLD) des belgischen Ministerpräsidenten (und amtierenden EU-Ratschef) Guy Verhofstadt sowie die in Brüssel mitregierenden Grünen (Agalev) blieben sich namentlich treu.

Ein viel ernst zu nehmenderes Ereignis im Herbst 2001 war allerdings der Untergang der Partei der gemäßigten flämischen Nationalisten, der „Volksunie“ (VU), am 15. September. Zerstritten zwischen ihrem liberalen Flügel unter Geert Bourgeois sowie den Parteilinken unter Paul van Grembergen und Bert Anciaux, beendete eine Mitgliederbefragung die Existenz der Traditionspartei. Bourgeois, der die konturenlos gewordene VU wieder zurück zu ihren nationalflämischen Ursprüngen führen wollte, gewann mit 47,18 Prozent klar, verfehlte aber die absolute Stimmenmehrheit, mit der er den Parteinamen Volksunie hätte übernehmen können. Somit zerfiel die VU in Bourgeois’ „Nieuw-Vlaamse Alliantie“ (N-VA), die „Toekomstgroep“ (Zukunftsgruppe), welche sich bald mit der linksliberalen Bewegung ID21 zusammenschloß, und die Gruppe „Niet splitsen“ (Nicht spalten) unter Johan Sauwens, der für den Erhalt der VU eingetreten war. Sauwens war übrigens im Mai diesen Jahres in die Schlagzeilen geraten: der ehemalige flämische Innenminister hatte es gewagt, an der Jubiläumsveranstaltung des „Sint-Maartens-Fonds“ teilzunehmen. Diese Organisation vertritt seit fünfzig Jahren die Interessen der flämischen „Ostfrontkämpfer“ und Waffen-SS-Soldaten (JF 21/01).

Geert Bourgeois, der schon als VU-Chef eine radikalere „flämische“ Richtung anstrebte, ist seit der VU-Spaltung sehr bemüht, die N-VA als legitime Nachfolgerin der Volksunie zu etablieren. Entsprechend war das Medienecho des ersten Parteitages der N-VA am 1. Dezember in Gent, zu dem 1.400 Gäste erschienen waren. Bourgeois erklärte, die N-VA wolle das Wahlergebnis der VU - zuletzt unter fünf Prozent - künftig übertreffen. Inhaltlich steht die Neuflämische Allianz für ein unabhängiges Flandern innerhalb der Europäischen Union, die (sich aus der Auflösung Belgiens zwangsläufig ergebende) Abschaffung der Monarchie sowie die Beendigung der Ausgrenzung (Cordon sanitaire) gegenüber dem „Vlaams Blok“. Mit dieser Strategie versuchten die Parteien, angefangen von den Grünen bis zu den Christdemokraten, bislang, den Vlaams Blok auf jeglicher Ebene zu isolieren, so beispielsweise im Antwerpener Stadtrat. Hier stellt der Blok fast ein Drittel der Abgeordneten. Bourgeois sagte, diese Politik sei kontraproduktiv und lenke von der Notwendigkeit ab, dem Vlaams Blok mit politischem Handeln den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Damit vollzog Bourgeois eine Wende: Noch im Februar 2000 wollte der der damalige VU-Chef die Befugnisse des belgischen Schiedshofes so erweitern, daß dieses Gericht auch die Parteiprogramme und Publikationen durchleuchtet und beurteilt (JF 11/00). „Er müßte auch bestimmen, ob eine Partei demokratisch ist“, so VU-Sprecher Koen T‘Sjien damals. „Falls eine politische Partei nicht demokratisch befunden wird, soll man sie auch verbieten. Wir denken dabei an Vlaams Blok.“


 
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