© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Ausweitung der Kampfzone
Politischer Nachwuchs: Die Junge Union Niedersachsen veranstaltete einen Kongreß zum Thema „Globaler Terrorismus - Gefahr für Deutschland?“
Christian Vollradt

Es ist schwieriger geworden, jene Schwelle zu übertreten, an der der sonst um größtmögliche Harmonie bemühte, christdemokratische Nachwuchs laut aufstöhnt. Diesen Eindruck erhielt, wer Zeuge wurde, wie auf dem Kongreß der niedersächsischen Jungen Union (JU) zum Thema „Globaler Terrorismus - Gefahr für Deutschland?“ der Politologe Martin Wagener dafür plädierte, daß angesichts hier lebender ausländischer Fanatiker die Politik ihre zu integrationslastigen Vorschläge in ein schlüssiges Abwanderungskonzept umwandeln sollte. Aus den Reihen der etwa 120 Zuhörer im Plenum gab es keinen Widerspruch, sondern ein zustimmendes Raunen.

Neben dem jungen Wissenschaftler diskutierten auf dem Podium in Hannover noch Hessens Innenminister Volker Bouffier, der niedersächsische Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann (beide CDU), der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, sowie Klaus-Dieter Fritsche, Vizepräsident des Bundesverfassungsschutzes und Klaus Neidhardt, Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes im Bundeskriminalamt.

Während sich die anwesenden Politiker hauptsächlich mit dem Versagen des politischen Gegners und der Hervorhebung eigener Erfolge beschäftigten, zeichnete Freiberg ein eher düsteres Bild von der personellen und materiellen Versorgung der Polizei. Seiner Kritik an der bisher zu stark auf den Rechtsextremismus fokussierten Arbeit des Staatsschutzes wurde aus dem Plenum beigepflichtet. Strittig blieb zwischen ihnen die Notwendigkeit von Bundeswehreinsätzen im Innern. Die beiden Behördenvertreter gaben ihre Einschätzung der Sicherheitslage in Deutschland deckungsgleich wieder, nach der zwar keine konkrete Bedrohung durch Terroristen vorliege, hiesige Anhänger islamistischer Organisationen jedoch ein Unruhepotential darstellten. Daß ihr Mahnen zur Besonnenheit offensichtlich politischen Vorgaben seitens ihres Dienstherrn entsprang, konnten sie nicht verbergen. Martin Wagener versuchte das Publikum an den Gedanken zu gewöhnen, daß mit dem 11. September noch nicht das größtmögliche Schreckensszenario über die westliche Welt hereingebrochen sei.

In einem anschließenden Forum über die Zukunft des Krieges skizzierte der Politikwissenschaftler Stephan Maninger die Auslöser und Arten zukünftiger Konflikte sowie die Voraussetzungen für ihre Lösung. Zu den wahrscheinlichsten Krisenszenarien zählte er ethno-religiöse Konflikte, Ressourcen- und Verstrickungskriege. Zunehmend spielten sich diese Auseinandersetzungen nicht mehr zwischen, sondern innerhalb von Staaten ab, beziehungsweise zwischen einem Staat und nicht-staatlichen Akteuren.

An aktuellen Beispielen veranschaulichte Maninger den schwindenden Einfluß konventioneller Streitkräfte und die Zunahme der „asymmetrischen Kriegführung“. Politisch notwendig sei in Deutschland ein Abschied von der antimilitärischen Grundhaltung der Gesellschaft, die entschiedenere Steuerung der Migration und die Einsicht der Politik, daß man multiethnische Staaten nicht um jeden Preis halten könne.

Mit Blick auf Zusammenstöße unterschiedlicher Kulturen rief Maninger den Grundsatz Clausewitz’ in Erinnerung, nach dem es vorrangiges Kriegsziel sei, den politischen Willen des Gegners zu brechen. Bei manchem Kongreßteilnehmer blieb die bange Frage zurück, ob es mit unseren Chancen auf einen Sieg in solch einem Fall zum besten bestellt wäre.


 
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