© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Das Phantom des Feindes
von Alain de Benoist

Mit weltweit 1,3 Milliarden Anhängern ist der Islam eine dynamische Religion - und zweifelsohne die einzige, die sich momentan im Aufwind befindet. Anders als das traditionelle Christentum, aber dem Beispiel des Heidentums folgend, trennt er das Politische nicht vom Heiligen, das Weltliche nicht vom Spirituellen. Er basiert auf einer Anzahl von Glaubenssätzen, die nicht mehr und nicht minder absurd oder lächerlich sind als die der anderen monotheistischen Religionen. Seine historischen Beziehungen zu Europa waren sehr viel komplexer und widersprüchlicher, als die Vertreter einer Geschichtsschreibung kirchlichen Ursprungs zugeben. (Henri Pirenne hat aufgezeigt, daß das karolingische Frankreich und Deutschland ihren Aufstieg ab dem siebten Jahrhundert den arabisch-muslimischen Eroberungen verdankten.) Dem Islam übertriebene Friedfertigkeit zuzuschreiben ist genauso unbegründet, wie ihn von vornherein zu verteufeln.

Innerhalb des Islam gibt es eine kriegerische Richtung (die erklärt, warum Nietzsche ihm so viel Bewunderung entgegenbrachte), aber diese macht keinesfalls seine geistige Essenz aus. Von Josuas Massakern bis zu den Kreuzzügen waren sich die anderen monotheistischen Religionen niemals zu schade, zur Gewalt aufzurufen und diese mit Zitaten aus ihren „heiligen Büchern“ zu rechtfertigen (vgl. 5. Buch Mose 7, 23-24 und 20, 13-14; Matth. 10,34). Dabei haben sie sich immer als Religionen der „Liebe“ oder des „Friedens“ ausgegeben. Im Verlauf von vierzehn Jahrhunderten hat sich der Islam genauso wie das Christentum mal friedlich, mal kriegerisch verhalten. Er hat immer einer Vielzahl von umstrittenen Auslegungen und kritischen Lesarten des Koran Raum gegeben. Wie alle Monotheismen hat er schließlich in seiner Geschichte emotionale und mystische Entgleisungen erlebt, extremistische Strömungen oder Fundamentalisten, die den Glauben zu purifizieren suchten, um „zu den Ursprüngen zurückzukehren“. Von den Kreuzzügen über das napoleonische Zeitalter bis zur Suez-Krise bildeten sich die meisten dieser Strömungen als Reaktionen auf westliche Bestrebungen heraus, islamisches Gebiet zu erobern oder zu beherrschen. Der islamistische Terrorismus ist nur die jüngste dieser Strömungen.

Will man nicht Gefahr laufen, dem Essentialismus zu verfallen, kann man kulturelle und religiöse Entwicklungen nicht von ihrem politisch-ökonomischem Kontext isolieren. Wenn man diesem Kontext Rechnung trägt, stellt sich heraus, daß der radikale Islamismus keine Ablehnung der Moderne darstellt (von der er sich im Gegenteil aneignet, was ihm nützlich ist), sondern eher den Willen zum Ausdruck bringt, ihr ein anderes Gesicht zu geben als das, was im Westen vorherrscht. (René Girard irrt also keineswegs, wenn er von einem „Nachahmungswettbewerb globalen Ausmaßes“ spricht.) Des weiteren - und vor allem - zeigt sich, daß die Hinwendung zum radikalen Islamismus nicht wirklich religiös begründet ist, sondern politisch und sozial. Die Islamisten verwenden eine religiöse Rhetorik, aber ihre Forderungen sind politischer, identitärer und kultureller Art. Auch der Konflikt in Afghanistan ist weniger ein religiöser als ein ethnischer. Der Mehrheit paschtunischer Stämme, verbunden durch die wahhabitische Interpretation des Islam, stehen die ethnischen Minderheiten gegenüber, die in der Nord-Allianz zusammengeschlossen sind: Tadschiken, Usbeken, Hazaras-Schiiten und andere.

Der Islamismus ist alles andere als die „Rückkehr des Religiösen“: Zuvorderst stellt er eine Neuauflage des uralten nationalistischen und anti-imperialistischen Strangs der arabischen Kultur dar. Die Frage, der man nachgehen sollte, lautet, warum der soziale Protest und die Opposition gegen die amtierenden Mächte, die ihren Ausdruck bislang im laizistischen Nationalismus (Nasserismus, Baathismus) fanden, nun die Form eines religiös begründeten Widerstandes angenommen hat - warum die Religion den klassischen Nationalismus als Antwort auf oder als Kompensation für ein Gefühl der Erniedrigung oder Herabsetzung ersetzt hat.

Die tiefste Ursache für die Entstehung des Islamismus liegt in der Sackgasse, bei der die Beziehungen zwischen dem Westen - allen voran den USA - und den muslimischen Staaten angelangt sind. Zudem hat die arabisch-muslimische Welt ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Vergangenheit. Das Bewußtsein, Erbe einer der europäischen Zivilisation gleichwertigen, wenn nicht überlegenen Zivilisation zu sein, wiegt schwer auf ihrer kollektiven Psyche. Zwischen der Epoche, in der die islamische Zivilisation zu den glanzvollsten der Welt gehörte, und der heutigen Lage tut sich ein immenser Graben auf. Nachdem der Islam ab dem späten 18. Jahrhundert den Weg der Modernisierung nach westlichem Vorbild eingeschlagen hatte, mußte er feststellen, daraus nicht den erwarteten Gewinn ziehen zu können. Daraus resultierte die Kultivierung des Ideals einer verpaßten Rückkehr zur „reinen“ muslimischen Tradition. Der politische Niedergang der meisten muslimischen Regime, von denen eins korrupter ist als das andere; die Unfähigkeit, dem Druck der Islamisten anders als mit brutaler Repression zu begegnen; die Volksmassen, die so gut wie nichts mehr zu verlieren haben - all das tat ein übriges, dem Islamismus zum Durchbruch zu verhelfen. Der Islam bietet den Allerärmsten zugleich eine Kompensation, ein Zugehörigkeitsgefühl und ein Wertesystem. So kommt es zu einer Verschweißung des Religiösen mit dem Sozialen.

Von Bedeutung ist schließlich auch die Beobachtung, daß der islamistische Terrorismus zum selben Zeitpunkt entsteht, da der politische Islamismus in weiten Teilen der arabisch-muslimischen Welt seit Jahren eine (vorläufige?) Niederlage nach der anderen erlitten hat - sei es in Algerien, in der Türkei, in Ägypten, Tunesien und sogar im Iran.

In einem Aufsatz, der 1993 veröffentlicht wurde, und dann in seinem drei Jahre später erschienenen Buch, entwickelte Samuel Huntington die inzwischen berühmte These eines clash of civilisa-tions. Diese These, die jede unipolare Weltsicht zurückweist, verdient zumindest Beachtung, weil sie, Oswald Spengler und Arnold Toynbee folgend, davon ausgeht, daß es zu jeder Zeit große kulturelle Einheiten und unterschiedliche Zivilisationen gegeben hat und geben wird. Huntington sieht eine Auseinandersetzung zwischen den Kulturen voraus und wirbt daher für die Schaffung neuer Gleichgewichte, die den Spannungen einer multipolaren Welt gewachsen sind. Angesichts der jüngsten Ereignisse haben viele Kommentatoren, die weniger gemäßigt sind als er, seine Thesen aufgegriffen, um einen Frontalzusammenstoß zwischen dem Islam und dem Westen zu prophezeien.

In einer globalisierten Welt, in der die Nationalstaaten jeden Tag ein bißchen mehr an Bedeutung verlieren, scheint es wahrscheinlich, daß die Kulturen und Zivilisationen neues politisches Gewicht gewinnen. Wenn man annimmt, daß diese Orientierungspole tatsächlich als Subjekte internationaler Beziehungen agieren können, dann wird auch ein „Zusammenstoß“ zwischen solchen Kulturen möglich. Vor dieser Entwicklung zu warnen ist die eine Sache, sie aber zu begrüßen und mit allen Mitteln zu beschleunigen eine ganz andere. Die verantwortliche Haltung besteht in der Regel darin, solche Zusammenstöße eher zu vermeiden, als sie herbeizuführen.

„Wenn es um den Islam geht“, bemerkt Edward Said, „werden die räumliche und die zeitliche Dimension mehr oder weniger automatisch außer acht gelassen.“ Folgt man Huntington, besteht die größte Gefahr tatsächlich darin, ahistorisch zu denken und die betreffenden Kulturen fälschlicherweise über einen Kamm zu scheren. Trotzdem neigt Huntington selbst dazu, einerseits alle Unterschiede zwischen Europa und den USA zu verwischen und andererseits den Islam als monolithische Einheit darzustellen, als modernes Äquivalent der ottomanischen Armeen, die gegen Wien zogen. Mit der Wirklichkeit hat diese Betrachtungsweise nichts zu tun. Politisch und geopolitisch existiert „der Islam“ genausowenig wie „der Westen“. Keine der beiden Seiten ist ein homogener Block, noch bündeln sich ihre jeweiligen Kräfte unbedingt zu einem einzigen Strahl. Jenseits der ideologischen Stoßrichtung, die ihnen gemeinsam ist, weisen sämtliche Strömungen des Islam ausgeprägte lokale oder nationale Besonderheiten auf. Die muslimische Welt besteht aus Dutzenden von Gesellschaften und Ländern, deren Probleme und Erfahrungen völlig unterschiedlich sind. Sie ist heute mehr als je zuvor in sich gespalten zwischen verschiedenen Strömungen, Sekten und Stämmen, Militär und Mullahs.

Was den radikalen Islamismus angeht, muß man bedenken, daß seine schärfsten Kritiker - und seine meisten Opfer - aus muslimischen Ländern stammen. Ob in Algerien, Ägypten oder Tunesien - immer wieder sind es muslimische Regierungen, islamische Institutionen und gesellschaftliche Kräfte, gegen die sich die Angriffe islamistischer Terroristen vornehmlich richten. Der Staatsfeind Nummer eins der Taliban, der Tadschike Ahmed Massud, war selbst ein gläubiger Muslim, genauso wie die anderen Kommandanten der Nord-Allianz (deren richtiger Name im übrigen „Vereinigte nationale islamische Front“ lautet). Selbst die islamische Republik Iran haben die Taliban stets verdammt. Hier zeigt sich schon, wie lächerlich die Vermengung von „Islam“ und islamistischem Terrorismus ist. Die islamistische Bedrohung bedroht zuvorderst die muslimische Welt; in ihr drückt sich kein Konflikt der Kulturen aus.

Wer die Milliarde Muslims verteufelt, die auf der Erde leben, ist Osama bin Laden auf den Leim gegangen und tut haargenau das, was die Terroristen beabsichtigen. Indem man die Staaten der Welt aufruft, „dem Islam“ die Feindschaft auszusprechen, sorgt man dafür, daß Tausende neue bin Ladens ihre Häupter erheben. So wie George W. Bush „im Namen der Zivilisation“ zu sprechen behauptet, behauptet bin Laden „im Namen des Islam“ zu sprechen. Ihn beim Wort zu nehmen, heißt die bipolare, reduktive Weltsicht zu akzeptieren, von deren Erzwingung er träumt. Bin Laden und seinen Nachahmern Einhalt zu gebieten erfordert im Gegenteil, die Falschheit solcher Behauptungen aufzuzeigen. Die Exponenten der These vom „Zusammenstoß der Zivilisationen“ sind die besten Verbündeten, die der islamische Extremismus sich wünschen könnte. Wer die Welt als Schlachtfeld eines Kampfes zwischen „dem Islam“ und „dem Westen“ betrachtet, spricht die Sprache bin Ladens. Wer von „Kreuzzügen“ redet, rüttelt nicht nur Chimären wach - schlimmer noch, er irrt sich in der Epoche und nimmt seinen Gegner nicht ernst.

Doch hat die Verteufelung des Islam längst begonnen. In den europäischen Ländern haben sich einflußreiche Stimmen erhoben, die mehr oder weniger geschickt die Gunst der Stunde ergriffen, sich als „sachverständige“ Islamforscher auszugeben. Sie sind eifrig dabei, das legitime Ressentiment der Bevölkerung, die gesellschaftlichen Neurosen, die aus der massenhaften und unkontrollierten Einwanderung erwachsen sind, auszunutzen, um zum Haß aufzurufen und die Forderungen der arabischen Volksmassen in anderen Erdteilen für unberechtigt zu erklären. Zugleich hat man - bei einem Silvio Berlusconi, aber nicht nur bei ihm - abscheuliche Reden vernommen, von denen man geglaubt hatte, daß sie der Vergangenheit angehörten: Reden, die die Bekundung von Präferenz und Zustimmung mit Überlegenheit verwechseln. Die Worte von der „natürlichen Überlegenheit des Westens“, die begleitet wurden von Aufforderungen, die Welt erneut zu kolonisieren, schaffen ein widerliches Klima, indem sie kollektiven Psychosen, paranoiden Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien Vorschub leisten. Die Angst vor Vergiftungen (etwa durch Milzbrand) nährt ihrerseits ein Klima der (medialen) Vergiftung. Eine Kultur der Angst ist ein noch schlechterer Berater als die Angst selbst. Leider muß man davon ausgehen, daß diese Entwicklung erst an ihrem Anfang steht. Wie früher die „gelbe“ und dann die „rote Gefahr“ ist heute das Gespenst des islamischen Terrorismus blitzschnell heraufbeschworen, sobald jemand von seiner Entdeckung träumt oder sich irgendeinen Gewinn von der Auslösung eines „Kulturkampfes“ verspricht. Der Anti-Islamismus droht zu denselben Idiotien zu führen, die man bei der Verteidigung der „freien Welt“ gegen den Kommunismus zuhauf erleben konnte. Wir steuern auf eine neue McCarthy-Ära zu, auf eine Hexenjagd, die auf denselben interpretatorischen Verirrungen beruht wie die der 1950er Jahre.

Zu glauben, die westlichen Staaten seien vor jeder Art des „Fundamentalismus“ gefeit, wäre ein grober Irrtum. Genauso wie bin Laden die gesamte nicht-muslimische Erdbevölkerung bekehren oder ausrotten will, träumen auch im Westen manche Menschen davon, alle Gesellschaftssysteme, alle polititisch-kulturellen Einheiten auszumerzen, die nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen. Der Gedanke, daß die globalisierte freie Marktwirtschaft für sämtliche Kulturen der Welt den einzig möglichen - und deshalb erstrebenswerten - Horizont ausmacht, ist nicht weniger „fundamentalistisch“ als der Gedanke, daß die Scharia überall den menschlichen Handlungsrahmen abstecken muß.

In Wahrheit wird der Westen einfach nicht müde, die Welt beherrschen zu wollen, ihr seine Ideen, Technologien, Produkte und Verhaltensregeln aufzuzwingen, die er stets als „universell“ - und dementsprechend dem Gemeinwohl der ganzen Menschheit zuträglich - darstellt. Folgerichtig erscheinen so alle anderen Lebensweisen und Wertesysteme „archaisch“ oder minderwertig zu sein. In der Vergangenheit sind dergleichen Unterwerfungen im Namen des „wahren Glauben“, der „Zivilisation“, des „Fortschritts“ oder der „Entwicklung“ unternommen worden. Heute führt der liberale Westen seinen Globalisierungsfeldzug, um das Modell einer Lebensphilosophie zu verbreiten, die das materielle Wohlbefinden, die Logik des Profits und das Gesetz des Geldes über alles andere stellt. Sein Endziel ist die Verwandlung der Welt in einen Freizeitpark, in einen Supermarkt der Vergnügungen; sein Motto: Ich konsumiere, also bin ich. Hannah Arendt verdanken wir die Beobachtung, daß jedes totalitäre Regime sich einen „metaphysischen Feind“ erfinden muß. Das Schema, das auf der einen Seite „den Westen“ sieht, auf der anderen alles, was nicht zum Westen gehört (oder sich gegen die Verwestlichung sperrt), formuliert lediglich die Rhetorik des Kalten Krieges um. In Kategorien wie „Feindschaft“ zu denken, wenn es sich um Kulturen oder um Völker handelt, bedeutet schon, sich in die Logik des neokolonialistischen Kreuzzugs zu verstricken. Aus dem Mißbrauch, der momentan von dem Konzept des clash of civilisations gemacht wird, liest man mühelos ein kaum getarntes, systematisches Streben nach westlicher Hegemonie heraus.

Der Anstieg krampfhafter Identitätspolitik und terroristischer Gewalt resultiert nicht aus einer bestimmten Kultur; er ist vielmehr die Folge der Auflösung (oder der drohenden Auflösung) aller Kulturen. Das sicherste Mittel, den Hyperterrorismus aufzuhalten, wäre, dafür zu sorgen, daß die Globalisierung nicht mehr - wie es momentan der Fall ist - als einseitige Imposition einer bestimmten Art zu leben erscheint, als alleingültiges Modell der „Zivilisation“ oder „Entwicklung“, das im Widerspruch zu den kulturellen Identitäten der restlichen Welt steht. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, der im allgemeinen nicht zu den hellsten Köpfen zählt, hatte in dieser Hinsicht nicht unrecht, als er am 15. Oktober 2001 vor der Unesco sagte, der Westen müsse aufhören, der ganzen Welt seine „durch und durch materialistische“ und „aggressiv weltliche“ Kultur aufzuzwingen.

Eine einzige Macht darf nicht allein die Geschicke des gesamten Planeten lenken wollen. Der Westen steht seit langem nicht mehr für zivilisatorische Werte, sondern ist nur noch eine wirtschaftliche Meßlatte. Dringender als je zuvor ist es an den Europäern - die in der Folge des 11. September einmal mehr ihren totalen Mangel an unabhängigem politischen Willen bewiesen haben -, sich nicht nur der Beteiligung an Kriegen zu verweigern, in denen sie weder auf die Methoden noch auf die Ziele Einfluß nehmen können, sondern vor allem laut und deutlich zu sagen, daß das „westliche“ Zivilisationsmodell nicht unbedingt das ihre ist, daß es aber auf keinen Fall alle anderen Modelle ausschließt. Es ist an den Europäern, auf eine neue Multipolarität der internationalen Beziehungen hinzuarbeiten und sich nicht auf die Alternative „Dschihad oder McWorld“ einzulassen. Mit anderen Worten: Sie müssen dem Heiligen Krieg eine klare Absage erteilen, ohne sich damit zu Instrumenten der McWorld zu machen.

Derzeit herrscht ein abscheuliches Diskussionsklima, demzufolge diejenigen, die das westliche Modell zu kritisieren wagen, geistig zurückgeblieben oder aber gefährliche Verrückte sein müssen. Der Fanatiker bin Laden wird als eine Art Archetyp dieser Geistesgestörten vorgeführt - insofern kam er den Exponenten einer solchen Denkweise gerade recht. Der islamistische Terrorismus dient ihnen als willkommener Anlaß, weltweit Sympathien für ein System zu schaffen, das Ungleichheit, Frustration und Verzweiflung erzeugt. Der Hauptfeind ist und bleibt - heute mehr denn je - die globale Entfesselung der Logik des Kapitals und die nahtlose Integration sozialer Belange in die Marktwirtschaft.

 

Alain de Benoist ist der führende Theoretiker der französischen Neuen Rechten („Nouvelle Droite“) und Herausgeber der in Paris erscheinenden Kulturzeitschrift „Nouvelle Ecole“. In der vergangenen Woche erschien an dieser Stelle sein Aufsatz „Der Krieg verschwimmt“ (JF 48/01)


 
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