© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
CD: Oper
Barocke Dramatik
Julia Poser

In der Freien Reichs- und Hansestadt Hamburg gründeten 1678 reiche Kaufleute und alteingesessene Patrizier am Gänsemarkt die erste Bürgeroper Deutschlands. Während in den höfischen Opernhäusern nur italienisch gesungen wurde, blieb man am Gänsemarkt der deutschen Muttersprache treu. Und da kein Fürst die Ausgaben für die Oper bezahlte, mußte in Hamburg der Unterhalt des Hauses durch Eintrittsgeld erwirtschaftet werden. Äußerlich nur ein schlichter Fachwerkbau, war der Innenraum prunkvoll ausgestattet. Die Bühnenmaschinerie für spektakuläre Verwandlungen, eine Flugvorrichtung und kunstvolle Kulissen standen auf höchstem Niveau. Der Bühnenmaler Johann Oswald Harms, der von 1665 - 1705 für die Oper am Gänsemarkt tätig war, gehört zu den bedeutendsten Theatermalern der Barockzeit. Noch heute können wir einige seiner Entwürfe für die Hamburger Oper bewundern.

Im Jahr 1697 kam der junge Komponist Reinhard Keiser als Kapellmeister an die Gänsemarktoper. Er wurde 1674 im sächsischen Weißenfels geboren, seine erste musikalische Ausbildung erhielt er als Schüler der Leipziger Thomaskirche. Sein Name und seine etwa achtzig Opern blieben über dreißig Jahre mit diesem Haus verbunden. Sein erstes Werk für Hamburg war das Singspiel „Der geliebte Adonis“. Christian Heinrich Postel schrieb dazu den Text. Postel griff auf einen Sagenstoff aus Ovids „Metamorphosen“ zurück, in dem sich Venus in den schönen Schäfer Adonis verliebt, was den Kriegsgott Mars mit rasender Eifersucht erfüllt. Er läßt Adonis auf der Jagd von einem wilden Eber zerreißen. Nach dem Tod des Geliebten will Venus nicht mehr leben, als Göttin ist sie jedoch unsterblich. Durch das Adonisröschen, das aus dem Blut des Toten erwächst, ist er zu ihrem Trost ebenfalls unsterblich geworden. Postel fügt noch die Schäferinnen Eumene und Dryante sowie den Schäfer Philistus hinzu. Ein zweiter Schäfer, Gelon, ist die komische Gestalt in diesem Singspiel. Mit naiv-frechen Bemerkungen kommentiert er die hochdramatischen Ausbrüche der anderen Personen.

Die CD Firma Classic Produktion Osnabrück (CPO) hat jetzt dieses vergessene Meisterwerk als Weltersteinspielung herausgebracht (999 636-2). Keiser bedient sich darin souverän verschiedener musikalischer Einflüsse: Italienische Madrigale wechseln mit französisch anmutenden Tanzweisen ab. Gelons frivole Spott-Arien erinnern an deutsche Moritatenlieder. Wichtig war Keiser die Anpassung an den auszudrückenden Text, dessen musikalische Umsetzung den absoluten Vorrang hatte. Ganz besonders hübsch sind die lebendigen Zwischenspiele und Preludien, bei denen er eine große Farbigkeit erreicht.

Mit ihrem klaren Sopran ist Marietta Zumbült eine entzückende Venus, die in ihrer Sehnsucht nach Adonis himmlische Töne findet und ihren Schmerz beim Tod des Geliebten mit bewegender Stimme ausdrücken kann. Susanne Ryden als Eumene und Mona Spägele als rachsüchtige Dryante setzen ihre unterschiedlich getönten Soprane kunstvoll ein. Jan Kobows Schäfer Philistus läßt einen weichen, lyrischen Tenor hören. Knut Schoch sorgt als Schäfer Gelon mit seinen leichtfertigen Arien für das volkstümliche Element. Raimonds Spogis dräut als eifersüchtiger Mars. Nur Ralf Popken scheint keine Idealbesetzung für den Adonis zu sein. Zwar beherrscht er die barocke Verzierungskunst und singt mit großer Verständlichkeit, aber sein manchmal lamentierender Altus paßt nicht so recht zu dieser Partie.

Thomas Ihlenfeldt dirigiert die kleine, aber exquisite Capella Orlandi Bremen mit viel Elan und Gespür für barocke Dramatik. Ihm gelingt es, Keisers Singspiel nach über dreihundert Jahren für den Hörer wieder frisch und lebendig erstehen zu lassen. Erhältlich ist die CD nur über CPO, Lübecker Str. 9, 49124 Georgsmarienhütte.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen