© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Von der Lust am Erlesenen
Der Verleger Wulf Dieter von Lucius hat ein Buch verfaßt über das Sammeln von Büchern
Tobias Wimbauer

Das Sammeln des Verstreuten und die Freude am Bewahren und am Bewahrten ist, neben dem Genuß, den uns das Schöne gewährt, eine Bastion gegen die Wegwerfmentalität der Konsumgesellschaft, ein Refugium in Zeiten des zunehmenden Abstumpfens der ästhetischen Wahrnehmung. Das einzelne Stück, das mit anderen vereint seinen besonderen Wert erhält, die Summe des Erlesenen ist es, die des Bibliophilen Leidenschaft ausmacht und aus der er Kraft schöpft.

Der Trieb des Sammlers ist Jagd und Besitz und das Bestreben, eine Ordnung in das scheinbar Willkürliche zu bringen. Der homo collector will „die alte Welt erneuern“, wie Walter Benjamin den Urtrieb „im Wunsch des Sammlers“ formulierte. Um zu bewahren und das Gesammelte in eine Systematik zu bringen, muß zunächst eine andere Ordnung zerstört werden, nennen wir sie - etwa bei Käfer- oder Pflanzensammlern - die Ordnung der Natur; oder bei Bibliophilen die Ordnung in den Bücherschränken der Vorbesitzer. Der Furcht vor dem Ende der Jagd ist dem Sammler anheimgegeben. Er sähe sich seiner Aufgabe beraubt, wäre seine Kollektion dereinst vollständig.

Wulf D. von Lucius, geboren 1938, ist Verleger wissenschaftlicher Bücher, er war Vorsitzender der Stiftung Buchkunst und ist Vorstandsmitglied der Maximiliangesellschaft. Als Siebzehnjähriger begann er, Bücher zu sammeln. Über diese Leidenschaft hat er nun ein prächtig ausgestattetes Handbuch verfaßt. Darin stellt er zu Recht fest, daß nicht jeder, der ein paar tausend Bücher sein eigen nennt, auch ein Sammler ist. Denn für eine Sammlung ist die Ordnung wichtig, nach der sie aufgebaut ist. Daß ein Sammler neben seinem eigentlichen Gebiet auch über eine sogenannte Lesebibliothek verfügt, versteht sich von selbst.

Es gibt viele Stichworte, zu denen der Autor kundige Einführungen gibt, von Illustration, Einband, Vorzugsausgabe und Pressedruck bis zur Erstausgabe. In kurzen Kapiteln umreißt von Lucius, wie der Sammler an die Objekte seiner Begierde gelangen kann: Kataloge, Auktionen und Messen, aber auch das Weltnetz seien genannt. Der Band ist ergänzt durch ein bibliophiles Glossar, das auf fast sechzig Seiten grundlegende Auskunft zu den wichtigsten Stichworten gibt. Dem Glossar angeschlossen ist ein Verzeichnis der üblichen, in Buchkatalogen verwendeten Abkürzungen und eine Auswahlbibliographie der gängigen Bibliographien. Lebendig veranschaulicht der Autor an zahlreichen Beispielen, daß ein Buch mehr ist als nur ein festgehaltener Text. Sei es durch die reine Umformung („Der Druck adelt“, Johannes Gross) des Manuskriptes in einen gedruckten Text, sei es bei Buchexemplaren, die sich etwa durch Ausstattung, Provenienz oder Widmungen auszeichnen, die „par existence“ eine Geschichte erzählen. Für einen Anfänger finden sich viele nützliche und wichtige Hinweise, aber auch ein erfahrener Bibliophiler wird an diesem Band seine Freude haben - stets eingedenk der „goldenen Regel“ des Büchersammelns: „Alles geschehe aus Freude, nichts aus Fron. Sammeln und Sammlung sind Teil deines Lebensglücks.“


 
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