© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Der Vogelfang bleibt weiter verboten
Umweltschutz: Die Novelle des Naturschutzgesetzes ist eine der wenigen Erfolge von Minister Jürgen Trittin
Adrian Gerloff

Im Schatten der Diskussionen über einen Bundeswehreinsatz in Afghanistan kam es am 15. November im Bundestag zur Abstimmung über die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Nachdem schon seit längerer Zeit eine grundlegende Überarbeitung der letzten Fassung des Gesetzes von 1998 im Gespräch gewesen ist, konnte Umweltminister Jürgen Trittin mit dem vorgelegten Tempo, mit dem der Gesetzentwurf die Vorabstimmungen durchlaufen hat, alle überraschen. Nun wird der Gesetzentwurf vor seinem Inkrafttreten dem Bundesrat zur Einsicht vorgelegt, ohne aber von ihm abgestimmt werden zu müssen. Vom Tisch ist der unglaubliche Antrag des Landes Brandenburg, den Vogelfang wieder zuzulassen. Der Antragsteller, Landesumweltminister Wolfgang Birthler (SPD), löste mit seinem Vorhaben Entsetzen bei Naturschützern aus und zog daraufhin seinen Antrag, für den er im Bundesrat die Zustimmung anderer Bundesländer sicher hatte, wieder zurück.

Zu den wesentlichen Änderungen gehört die Förderung einer naturverträglichen Landwirtschaft - auch im Hinblick auf eine den Verbrauchern angepaßte Produkterzeugung. Damit wird der Naturschutz zum konstruktiven Begleiter der Agrarwende. Das gesellschaftliche Klima dafür ist nach den Debatten um BSE und MKS so günstig wie nie. Mit dem neuen Gesetz ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung von EU- und internationalem Recht getan, weil nun die biologische Vielfalt durch die Schaffung eines Biotopverbundes auf mindestens zehn Prozent der Landesfläche gesichert wird. Durch das Verbot der Heckenrodung oder der Umwandlung von Feuchtwiesen in Ackerland, würden die Voraussetzungen für eine größere Artenvielfalt in der Kulturlandschaft deutlich verbessert.

Das novellierte Gesetz geht jedoch nicht weit genug. In der Eingriffsregelung wird auf den Vorrang des Ausgleiches vor den Ersatzmaßnahmen bestanden. Die Ersatzzahlungen sollen weiterhin nur bei nicht ausgleichbaren Eingriffen in Betracht kommen. Gleichwohl wird diese Regelung ebenso wenig wie in der Vergangenheit wirklich Eingriffe in Natur und Landschaft verhindern können. Die Praxis wird weiterhin die sein, daß Belange des Naturschutzes bei Bauvorhaben hintenanstehen werden. Eine der Gefahren liegt in der Möglichkeit der Länder, sich nicht vermeidbare Eingriffe in Natur und Landschaft vom Verursacher finanziell vergüten zu lassen. Vor allem die Änderung der Eingriffsregelung ist ein Rückschlag. Hier ist ein wichtiges rechtliches Instrument für den Naturschutz verloren gegangen. Faktisch ist es jetzt nicht mehr möglich, bauliche Vorhaben aus naturschutzrechtlichen Gründen zu verhindern.

Darüber hinaus ist durch das neue Gesetz der unhaltbare Zustand eines bislang naturschutzrechtsfreien Raumes in Nord- und Ostsee außerhalb der Zwölf-Seemeilenzone beendet. Meeresgebiete können zukünftig als „Natura 2000“- und Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden. Die Genehmigung von Ölbohrinseln oder Windenergieanlagen wird künftig an der ausreichenden Berücksichtigung von Umweltbelangen nicht mehr vorbei kommen. So werden Energieversorger verpflichtet, ihre Strommasten künftig gegen den vielfachen Vogeltod durch Stromschlag zu sichern.

Trotzdem besteht die Gefahr, daß ein Wettrennen zwischen Windkraft und Naturschutz um Meeresgebiete entsteht. Bereits jetzt können Meeresflächen für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen freigegeben werden und damit für den Naturschutz verloren gehen. Der erste Offshore-Windpark mit rund 200 Windkrafträdern ist bereits genehmigt und entsteht in der Nordsee vor Borkum.

Völlig neu ist die Forderung nach der Umweltbeobachtung. Hier liegen die Chancen für eine nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft. Durch „kontinuierliches Monitoring“ können Maßnahmen begleitet und verändert werden. Als Voraussetzung für zukünftige ähnliche Vorhaben werden Vergleichsdatenbanken angelegt. Somit ist man in der Lage, eine ständige Erfolgskontrolle durchführen zu können. Zu den positiven Neuerungen, ist auch die Pflicht zur flächendeckenden Landschaftsplanung zu zählen. So wird im neuen Gesetz von den Landkreisen und Gemeinden erwartet, zukunftsorientiert naturschutzfachlich wertvolle Flächen für den Naturschutz bereitzustellen und vor anderen Nutzungsansprüchen zu sichern.

Erstmalig erhalten Umweltverbände ein Vereinsklagerecht zur Wahrung von Naturschutzinteressen. Allerdings zeugt der eindeutige Regelungsgehalt über das Mitwirkungsrecht der Bürger nicht von großem Vertrauen zu den Umweltverbänden. Auch ist die Verbandsklage nicht für alle relevanten Verfahren vorgesehen. Die Beschränkung auf eine Klagemöglichkeit bei Planfeststellungsverfahren und die Befreiung von Verboten und Geboten in Schutzgebieten bleibt deutlich hinter dem zurück, was oft bereits durch Landesrecht geregelt ist. An dieser Stelle ist zu bemerken, daß der Bund mit dem neuen Gesetz nur die Rahmenbedingungen vorgibt, denn Naturschutz ist und bleibt Ländersache.

Nach Inkrafttreten des Gesetzes Ende diesen Jahres haben die Länder drei Jahre Zeit, um die neuen Vorgaben zu erfüllen. Hoffentlich nehmen sich die Länder nicht den Bund als Beispiel, der bei der Gebietsbearbeitung nach der FFH-(Flora-Fauna-Habitat) Richtlinie für Brüssel bereits mehrere Jahre Verspätung verzeichnen muß. Umweltverbände appellierten daher nun an die Bundesländer, das neue Naturschutzgesetz konsequent umzusetzen.

Der Naturschutzbund NABU hat die Verabschiedung des Gesetzeswerkes durch den Bundestag begrüßt. „Damit hat die Bundesregierung einen der wichtigsten umweltpolitischen Erfolge dieser Legislaturperiode erzielt“, sagte NABU-Präsident Jochen Flasbarth. Durch die parlamentarische Beratung seien noch wesentliche Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erzielt worden. Das neue Gesetz stärke wirksam den Schutz von einheimischen Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer Lebensräume. „Besonders hervorzuheben ist die Einführung eines bundesweiten Biotopverbundes aus mindestens zehn Prozent der Landesfläche“, so Flasbarth.

Hervorzuheben sei auch, daß das Verhältnis von Naturschutz sowie Sport und Erholung neu definiert und in der Zielbestimmung des Gesetzes verankert wurde. So wird die Natur als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung seiner Erholung eindeutig beschrieben.

Gegenüber dem geltenden Bundesnaturschutzgesetz ist der vorliegende Entwurf ein Fortschritt, jedoch nur ein relativ bescheidener. Anders als aus naturschutzfachlicher Sicht und auch im Gegensatz zu den Forderungen der Naturschutzverbände, stellt er leider nicht den erhofften großen Schritt nach vorn im Naturschutz dar. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben einen beträchtlichen Aufwand getrieben. Der Gehalt der Naturschutz-Novelle läßt dagegen aus Sicht der Natur leider einiges zu wünschen übrig und wird sich in Zukunft an dem einen oder anderen Punkt als nachbesserungsbedürftig erweisen. Insgesamt bietet das neue Gesetz aber eine Chance für mehr Naturschutz in Deutschland.


 
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