© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/01 23. November 2001

 
PRO&CONTRA
Die Jagd abschaffen?
Kurt Eicher / Elisabeth Emmert

Seit vielen Jahren belegen alle ökologischen und biologischen Untersuchungen, daß die Jagd nicht nötig ist. Während die Jäger vorgeben, sie würden die großen Beutegreifer ersetzen und müßten deshalb die Wildpopulation durch Abschuß dezimieren, zeigen die Zahlen aus unbejagten Gebieten, daß sich die Populationen durch die biologischen Mechanismen selbst regulieren können. Auch die kleineren Beutegreifer tragen wesentlich zur Regulation bei, aber eben nur, wenn sie nicht bejagt werden. Das Argument, Füchse wären für die Volksgesundheit gefährlich, ist ebenso falsch, denn nur durch Impfungen und Beendigung der Fuchsjagd konnte man die Tollwut bekämpfen.

Der Baumverbiß spielt biologisch keine Rolle und bei Flurschäden liegen die Ursachen nicht beim Wild, sondern in der Struktur der Lebensräume. Die Jäger sind nicht in der Lage, die Ursachen zu beheben, sondern sie greifen gewalttätig mit „Hegeabschüssen“ in die natürlichen Abläufe ein. Die Jagd hat mit Schutz oder Pflege nichts zu tun, die eigentlichen Beweggründe für die Jagd liegen im Jäger selbst. Wie viele Jagdgeschichten aus Jagdzeitschriften belegen, treibt den Jäger das Beutemachen, die Lust am Töten oder ein gewisser „Blutrausch“ an. Auch jagen mit Fallen ist an Barbarei kaum zu überbieten. Hier verenden Tiere erst nach tagelangen Qualen. Jährlich fallen 5 Millionen Tiere der Jagd in unserem Land zum Opfer. Erlegt mit Schrotladungen, die Hasen wie kleine Kinder aufschreien lassen, durch Deformationsgeschosse, die den Rehen die Körper aufreißen und die oft erst nach Stunden durch den Fangschuß getötet werden. Nur etwa die Hälfte stirbt sofort! Man sollte aus menschlichen, ethischen, ökologischen und biologischen Gründen die Jagd abschaffen. Die Natur wurde lange genug zurechtgeschossen, geben wir ihr endlich die Hilfen und Chancen zur Selbstregulation, die sie wirklich braucht.

 

Kurt Eicher ist Biologe, Studiendirektor und Vorsitzender der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“.

 

 

Aus Sicht des ÖJV ist ein gewisser Teil der Kritik an der Jagd in Deutschland berechtigt. Auch wir fordern eine Neuorientierung der Jagd, um Konflikte mit Land- und Forstwirtschaft, Natur- und Tierschutz zu mindern. Dazu ist auch eine Reformierung der Jagdgesetzgebung notwendig. Wir wollen jedoch der Jagd als naturnaher Tätigkeit und ursprünglicher Form der Naturnutzung einen sinnvollen Platz in der Gesellschaft erhalten.

Wesentlicher Grund für die Notwendigkeit der Jagd besteht in der Wiederherstellung und Sicherung unseres naturnähesten Lebens- und Wirtschaftsraums Wald. Überhöhte Schalenwildbestände verursachen landesweit untragbare Schäden an unseren Wäldern. Durch bevorzugten Verbiß der ökologisch und ökonomisch wichtigen Mischbaumarten wird auf großen Flächen der Umbau instabiler Nadelholzreinbestände verhindert. Die natürliche Verjüngung des auch landeskulturell unersetzlichen Bergmischwalds in Schutzwaldregionen im Gebirge ist nahezu unmöglich. Eine waldfreundliche, lebensraumorientierte Jagd als unerläßliche Voraussetzung naturnaher Waldentwicklung ist die wichtigste jagdliche Aufgabe der Zukunft.

Der Erhalt und die Wiederherstellung naturnaher Wälder sind in Mitteleuropa ohne Jagd nicht möglich.

Solange in der Gesellschaft der Verzehr von Fleisch und das dazu unerläßliche Töten von Tieren akzeptiert und für notwendig erachtet werden, befindet sich die Nutzung von artgerecht und in Freiheit lebenden Tieren durch eine ökologisch verträgliche, ethisch verantwortungsvolle und handwerklich saubere Jagd im Einklang mit den gesellschaftlichen Prämissen.

Eine Naturnutzung durch Jagdausübung ist in Deutschland an das Eigentum von Grund und Boden gebunden, die Abschaffung der Jagd würde eine Änderung dieses Grundrechtes erfordern und müßte den Inhabern des Jagdrechts entschädigt werden.

 

Elisabeth Emmert ist Vorsitzende des Bundesverbandes der Ökologischen Jagdvereine.


 
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