© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/01 23. November 2001

 
Der Konflikt geht weiter
von Carl Gustaf Ströhm

Kaum ist die erste freie Wahl in der Geschichte des Kosovo ausgezählt, kündigt sich bereits die nächste Runde eines neuen Konflikts um die zwischen Serben und Albanern umstrittene und jetzt unter faktischem Nato-Protektorat stehende Provinz an. Der Westen, ohnedies voll mit Afghanistan beschäftigt, wollte es sich einfach machen: Er verkündete selbstgefällig, in der Albanerprovinz hätten die „Gemäßigten“ unter Ibrahim Rugova und seiner Demokratischen LDK gesiegt.

Eine genauere Analyse zeigt allerdings, daß der „moderate“ Rugova mit 46 Prozent keine absolute Mehrheit im Provinzparlament hat. Zweitstärkste Kraft mit über 25 Prozent wurde die PDK des UÇK-Kommandanten Hashim Thaci, und die „radikale“ AAK von Ramush Haradinaj errang fast acht Prozent. Damit stellen jene Albanerparteien, welche die staatliche Unabhängigkeit der „Republik Kosovo“ fordern, mindestens achtzig Prozent der Wähler - das serbische Bündnis Povratak (Rückkehr) bekam nur elf Prozent. Was die Unabhängigkeitsforderung angeht, unterscheidet sich Rugova um keinen Deut von den „jungen Wilden“ aus den Reihen der UÇK. Verweigert die EU - wie angekündigt - den Kosovo-Albanern das Recht auf Selbstbestimmung, wird - so sicher wie das Amen in der Kirche - auf den ungelösten Afghanistan-Konflikt ein weiterer, womöglich endloser Kosovo-Konflikt folgen. Es ist kaum anzunehmen, daß sich die Kosovaren ihren grundlegenden politischen Wunsch vom Westen abkaufen lassen: Sie wollen keinesfalls unter Belgrad zurück. Sie wollen ihren eigenen Staat.


 
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