© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Blick in die Medien
Fernsehgericht
Ronald Gläser

Am 11. September hat die Realität die Fiktion bei weitem übertroffen. Wer terroristische Anschläge in diesem Ausmaß voraussah, der galt als Fall für den Psychotherapeuten. Oder er ging nach Hollywood, um Drehbücher für Sylvester-Stallone-Filme zu schreiben. Genau deshalb bezieht der CIA jetzt seine Informationen von ausgewählten Drehbuch-Autoren. Diese wurden unter Vertrag genommen, um sich neue Terroranschläge auszudenken, damit Gegenmaßnahmen ausgelotet werden können. Das „wirkliche Leben“ spielt auch im Fernsehen seit geraumer Zeit eine immer größere Rolle. Den Anfang machten die Talkshows, die billig sind und hohe Quoten bringen. Mit der unendlichen Geschichte, wer mit wem hinter wessen Rücken im Bett war, langweilen die Sender anspruchsvolle Zuschauer seit zehn Jahren. Es folgte der Überflieger Big Brother, der normale (und wenig anregende) Selbstdarsteller in einen Container sperrte. Der Erfolg war aber den vielen Kopien versagt. Seitdem dominiert ein anderes (äußerst billiges) Format die Hitlisten der Einschaltquoten: das Fernsehgericht. Die Rückkehr dieser eigentlich uralten Programmart ähnelt dem Comeback der antiquierten Quizshow. Diese Woche startete jetzt auf Sat.1 die vierte Gerichtssendung à la Richterin Barbara Salesch im Nachmittagsprogramm. Die Zuschauer wenden sich von den Talkshows ab. Deshalb hört beispielsweise auch Andreas Türck mit seiner fürchterlichen Pro Sieben-Talksendung auf. Hoffentlich lebenslänglich.


 
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