© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Was bleibt, ist Verlegenheit
von Siegmar Faust

Als Ergebnis der Schaumschlägerei, die sich juristische Aufarbeitung der DDR-Diktatur nannte und, wie Ulrich Schacht sagt, eine „genuin rechtsstaatsfeindliche deutsche Justiz-Tradition“ fortführte, sind immerhin rund 21.500 Verfahren zugelassen worden, von denen weniger als zwei Prozent mit einer Bewährungs- oder Geldstrafe endeten. Lediglich 25 Personen wurden zu Gefängnisstrafen mit täglichem Ausgang verurteilt, und das nach Exzeßtaten, die auch nach DDR-Strafrecht hätten verfolgt werden müssen. Wenn das die Antwort der Juristen ist, müssen diejenigen, die sich erlaubten, die Diktatur zu bekämpfen, einen Fehler begangen haben.

Was lehrt uns das? Die 68er Zeitgeistträger, einst angetreten, die verzögerte Aufarbeitung der Verbrechen der ersten Diktatur voranzutreiben und sie zu sühnen, vermieden es dieses Mal tunlichst, sich aus ihrer überheblichen Position in die Opferperspektive zu versetzen. Dafür versetzten nicht wenige von ihnen ihren Lebensmittelpunkt zwecks schnellerer Karriere in den Osten. Von dorther senden sie, die Rechtspositivisten, nur ohnmächtige Schwaden blauen Dunstes in den noch immer geteilten Himmel, der quer durch die verwässerte Nation hindurch die Rechten von den Linken, die Normalmenschen von den Gutmenschen, die Realisten von den Utopisten und die Opfer von den Tätern spaltet. Es läßt sich freilich auch so ausdrücken: Wir leben zwar sämtlich unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

Solange gerichtsnotorisch nicht die Verantwortlichen der Millionen Enteignungen und Beraubungen auszumachen sind, der Millionen Vertreibungen, Einsperrungen und Folterungen, der unzählbaren Demütigungen, Beleidigungen, Betrug um Lebenschancen und psychische Zerstörungen, ganz zu schweigen von den Hinrichtungen oder 900 Mauerschüssen, solange können sich Überlebende und Hinterbliebene nur als Phantom-Opfer begreifen. Sie haben gerade einmal so viel Haftentschädigung bekommen wie ihre Peiniger Mielke und Stoph, die als Vasallen der sowjetischen Besatzungsmacht zu den Hauptverantwortlichen dieses DDR-spezifischen Verbrechersyndikats zählen. Diktatoren überleben oft nur knapp, aber es geht auch anders: Im Rechtsstaat der vereinigten Bundesrepublik Deutschland wurden sie nicht nur auf Anordnung der Ärzte und Juristen auf freien Fuß gesetzt, sondern zusätzlich mit Haftentschädigung belohnt.

Das liberale Tuch, das sich über unser Land spannt, ist fadenscheinig. Betrachten wir nur einige der herausragenden Anlässe zum öffentlichen Streit. Sei es der Historiker-Streit, der um den „Anschwellenden Bocksgesang“ von Botho Strauß, um Sloterdijk, um das Dresdner Hannah-Arendt-Institut oder um die antidemokratische und militante Vergangenheit heutiger Minister. Was fällt einem liberal eingestellten Menschen da auf? Kaum einer denkt selbständig. Bei den geringsten Anlässen beim Streit unter Wissenschaftlern oder Künstlern schimmert schnell die „einzige wissenschaftliche Weltanschauung“ wieder durch, die noch immer oder schon wieder eine totalitäre Versuchung darstellt, obwohl sie schon tausendmal entlarvt worden ist. Ein Intellektueller, der unbedingt Recht haben will und diese Anmaßung mit Machtmitteln durchsetzt, indem er den Gegner aus dem Diskurs verdrängt, ihn diffamiert, mit Sanktionen oder gar mit Existenzvernichtung bedroht, verrät nicht nur eine schwache Intelligenz, sondern er übt auch Verrat an der Kunst oder Geisteswissenschaft, die sich beide durch freies spielerisches Gewähren und Gewährenlassen aller möglichen Gedanken, Hypothesen und Theorien auszeichnen. Der einst von Margret Boveri untersuchte „Verrat im XX. Jahrhundert“ wäre nach Einsicht in die Archive der Ostblockdiktaturen noch um die gravierendsten Beispiele zu erweitern.

Besonders jene, die sich als Bewußtseinsbildner und gar als das „Gewissen der Nation“ verstanden, nämlich die Schriftsteller, waren zu den ekelhaftesten Verrätereien fähig - leider nicht nur die Unbegabten. Ihr heimtückisches Mitwirken im Terrorapparat der SED ist das genaue Gegenteil jenes besonderen Verrats, zu dem ein Intellektueller, dem die geistige Unabhängigkeit und moralische Unbestechlichkeit über alles gehen, fähig sein sollte: „Wenn er merkt, es stimmt was nicht, muß er sich aus jedem Rahmen lösen und auf Heimat, auf Solidarität usw. pfeifen und darf dann nicht in irgendwelchen Gemeinschaften kleben bleiben. Das scheint mir die wichtigste Eigenschaft, so ein Institutionen-Widerstand, ein Herkunfts-, Heimats-, Gemeinschaftswiderstand.“ (Dieter Hoffmann-Axthelm) Über diese Verratsdefinition würde sich der Streit lohnen, aber nicht über den Verrat an Freunden, Kollegen und Ehepartnern zugunsten eines totalitären Staates und eigener Priviligien oder Machtgelüste. Wer Macht will, sollte Politiker werden. „Die Politik lebt der Tat, die Wissenschaft dem Wort. Die Politik bemißt sich an ihren Folgen, Wissenschaft aber ist folgenlos. Nur so ist sie auch frei.“ (Alexander Schuller) Am bequemsten richteten es sich die Beamten ein, denn wer gut sitzt, braucht keinen Standpunkt zu vertreten. Künstler und Wissenschaftler hingegen befinden sich immerzu in einem experimentellen Stadium. Sie sind nur vorübergehend erfolgreich, sonst aber unsicher wie jeder im Leben. Wer glaubt, er wisse, muß wissen, daß er glaubt. Denn was wahr ist, weiß nur einer: der allwissende Gott. Was dem Heil im Wege steht, muß eben weg.

Honeckers politischer Ziehsohn Egon Krenz, der sich mitten im Zusammenbruch der DDR dessen Machtfunktionen schamlos zuschanzte, ist ein schlechter Verlierer. Sein ohnehin mildes Urteil nennt er trotzig „Unrechtsurteil“. Er fühlt sich als „politisch Verfolgter der Justiz“. Krenz, der selbsternannte Widerständler und nützliche Idiot, kann uns immerhin als schlechtes Beispiel dienen. Und die zur PDS umgerubelte SED, schon wieder staatstragend, entblödet sich nicht zu behaupten, daß Krenz‘s Verurteilung und Inhaftierung das „Ergebnis der Instrumentalisierung des Rechtes zu politischen Zwecken“ sei. Das, was hier unterstellt wird, haben ihre Altkader im ehemaligen SED-Machtbereich tagtäglich praktiziert, nicht heimlich, sondern ziemlich offen, denn es war ihr parteiisches Verständnis von Justiz. Es stellt noch zehn Jahre danach eine Demütigung ihrer Opfer dar, die unter fürchterlichsten Bedingungen ihre Haftstrafen abzubüßen hatten. Was wir als Tragödie erleben mußten, gestaltete sich bei Krenz nun zur Farce. Einmal Opfer - immer Opfer. Die Täter sagen sich zynisch: Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, uns bleibt immerhin die Zukunft.

Einige wenige, die man einst aus den Haftanstalten der DDR freikaufte, engagierten sich auch vom Westen aus in ihrer alten Heimat, wie zum Beispiel der aus Sachsen stammende Wissenschaftler Günter Fritsch, der nach dem Zusammenbruch der DDR seine Hafterinnerungen „Gesicht zur Wand“ im Leipziger Benno-Verlag veröffentlichen ließ. Auf Vorträgen, gehalten in Tübingen und Jena, leuchtete er die „unterirdischen Gänge des SED-Machtapparates“ aus und resümierte: „Um Rückschlüsse auf die im Geheimen festgelegten Zielsetzungen von Partei und Regierung ziehen zu können, reicht es auch nicht, viele hundert Kilometer Stasi-Akten zu analysieren. Hier müssen die Verfolgten Erinnerungsarbeit leisten, was in qualitativer und quantitativer Hinsicht eine große Herausforderung ist. Ungezähltes Leid und Verderben, viel Mißbrauch von Verantwortung und viel Schuld sind dem Vergessen zu entreißen und müssen verkraftet werden, um wissenschaftlich verwendet werden zu können. Wir brauchen dazu ,Erinnerungsprofis‘, die zusätzlich imstande sind, sich für die Täter mit zu erinnern, da diese seit der Wende an plötzlichem Gedächtnisschwund und chronischen Verdrängungssyndromen leiden. Außerdem haben wir es bei den DDR-Machthabern mit ,Lügenprofis‘ zu tun, die die Wirklichkeit raffiniert verzerren können und es auch heute noch eifrig tun.“

Das Tragische ist, daß Menschen, die solche vernünftigen Sätze formulieren, selber Meister des Verdrängens sein können. Manche versuchen später durch konsequent gedachte Formulierungen, ihre Schwäche in der Untersuchungshaft, die sie zu Verrätern an Freunden und Verwandten, also unter solchen Umständen zu Kollaborateuren der Stasi-Schergen werden ließ, wettzumachen. Sie versuchen, dem seelischen Erstickungstod zu entkommen, indem sie in die Offensive gehen, Bücher schreiben, Vorträge halten, gewissermaßen richtige Schlußfolgerungen ziehen und mahnend durchs Land streifen. Doch durch die vollständige Einsicht in die Stasi- und Prozeßakten kommen schuldhafte Verstrickungen zum Vorschein, die sie aber längst nicht mehr wahrhaben wollen. Am Ende wurden sie selber zu denjenigen, die an „chronischen Verdrängungssyndromen“ leiden, sich das aber nicht eingestehen können, sondern sich im Laufe der Zeit umso emsiger eine neue Identität zusammenzimmerten, die ihrem Wunsch entspricht und sie als Widerständler und „Erinnerungsprofis“ erscheinen läßt, die alle Erpressungsversuche oder Verlockungen der Stasi-Offiziere mutig parierten. Jenen, die dieses Spiel wirklich durchschauen, wird mit dem Staatsanwalt gedroht. Mit ungewöhnlicher Energie wird Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, den Wissenden, also den potentiellen Aufdecker, zum Schweigen zu bringen. So geschieht es zum Beispiel dem Physiker und Philosophen Dietrich Koch, dessen ehemaligen Freunde heute das Erscheinen seines Manuskriptes „Das Verhör“, das sich in einer bisher nicht dagewesenen Genauigkeit an die Untersuchungshaft in Leipzig erinnert, mit Mitteln zu verhindern suchen, die an totalitäre Zeiten erinnern.

Menschen können, trotz gegenteiliger Erfahrung in der Spendenaffäre, so unbestechlich sein, daß sie nicht einmal Vernunft annehmen. Das fällt mir auf, wenn ich die oft unqualifizierten Händel zwischen Funktionären der Opferorganisationen betrachte oder den langsam an die Oberfläche drängenden Streit unter ehemaligen Freunden und Bekannten beurteilen soll, die zur 68er Generation in Sachsen gezählt werden können und zu denen auch der zitierte Günter Fritsch gehört. Es verlangte natürlich den Stasi-Offizieren innerhalb ihrer Untersuchungshaftansanstalten keine große Anstrengung ab, die Partner einer verhafteten Gruppe oder Freundes- und Familienkreise untereinander auszuspielen und zu „zersetzen“. Wir kennen zusätzlich zu unseren Erfahrungen auch aus den Aktenhinterlassenschaften ihre so perfiden „wissenschaftlichen“ Methoden. Der unter mystriösen Umständen 1999 jung verstorbene Psychologe und Schriftsteller Jürgen Fuchs hat sie als erster mit durchforstet und überzeugend kommentiert. Leider sind die auf solche Weise zerbrochenen Freundschaften kaum wieder zu reparieren. Das anstrengende, uns oft überfordernde Leben in einer pluralistischen Gesellschaft läßt den wenigsten die Zeit, etwas gründlich zu rekonstruieren, um den Ursachen einer Zerstörung auf den Grund zu kommen. Und zur Heilung bedarf es ebenfalls langer Zeit. Doch wer verfügt darüber?

Es fällt weiterhin auf, daß es zwar mittlerweile viele Haftberichte gibt, doch die Untersuchungshaft, sowohl bei der Gestapo als auch bei deren Nachfolgerin, der geheimen SED-Polizei aus dem Ministerium für Staatssicherheit, wird in Selbstdarstellungen oft nur oberflächlich und kurz behandelt. Das hat seine Gründe. Nur wenige, die solche Vernehmungsmethoden einigermaßen gesund überstanden haben, gestehen sich überhaupt oder gar öffentlich ihre Schwächen und Fehler ein. Jedem wurden sie offenbar gemacht, der durch diese Mühle gedreht wurde. Manche sind stolz, wenn es ihnen gelang, den Peinigern einiges zu verschweigen oder zu verschleiern. Am Ende hat man immer zu viel preisgegeben. Es bleibt ein Knäuel von Schuldvorwürfen und Schuldzuweisungen, der kaum auflösbar ist. Ohne Schuldgefühle kann eigentlich nur bleiben, wer nicht einmal seinen Namen und sein Geburtsdatum verriet. Um den Apparaten der Gestapo oder des MfS einigermaßen gewachsen zu sein, hätte man ihre Methoden kennen und sich darauf geradezu vorbereiten müssen. Vor allem Intellektuelle verzeihen es nicht nicht gern, daß sie einmal unterlegen waren, hilflos, ängstlich, verzagt und versagend.

Die Vernehmer wiederum, die von vornherein voller Komplexe den intelligenteren, gebildeteren Personen gegenüber waren, durften das durch ihre Machtüberlegenheit, durch den mit konspirativen Mitteln beschafften Wissensvorsprung, durch ihre Überrumpelungstaktik, durch Drohungen und billige Tricks aus der pychologischen Folterkiste kompensieren. So mußten sich Intellektuelle aus Gründen des Selbstschutzes oft dumm stellen, was über längere Zeit hinweg nicht nur anstrengend, sondern auch demütigend ist. Man wurde auch mißtrauischer, wenn man es im Alltag der Diktatur noch nicht gelernt hatte und glaubte gar: Die Wahrheit ist die sicherste Lüge. Wer das mit aller Pein durchlebte, auch wenn er sich später wieder als „toller Hecht“ fühlte, und manchmal schon während der Untersuchungsquälerei einen Teil seiner gewaltigen Angst verloren hatte, weil er meinte, etwas durchschaut, gerettet oder gar den Vernehmer überlistet zu haben, kann solche Erfahrungen kaum einem normalen Zivilisten vermitteln.

So war denn unser Wiederauftauchen nach Jahren aus den Stasi-Gefängnissen, aus den anschließenden Haftanstalten oder eine Heimkehr nach dem Freikauf aus dem Westen für ehemalige Kollegen, Freunde, Hausbewohner, Bekannte und sogar Verwandte oft „nichts als eine Verlegenheit“ (Jean Améry). Für uns jedoch hatte sich alles grundlegend verändert, oft bis in die engen Familienverhältnisse hinein. Nicht selten gerieten wir in eine Lage, als hätten wir unsere Glaubwürdigkeit zu beweisen, als hätten wir etwas wieder gut zu machen. Da konnte man während der Haft ein noch so harter Brocken für die Stasi-Ausquetscher gewesen sein; wenn man es wagte, sich aus großer Distanz einmal selbstkritisch und gar öffentlich in einem Buch zu fragen, ob man sich nicht doch unabsichtlich zum Mitarbeiter dieser Schergen gemacht habe, weil man in der Einzelzelle der Aufforderung nachkam, seine Freunde und Bekannten handschriftlich zu charakterisieren, sogar mit einer gewissen Hingabe, in der Überzeugung, kein Verbrecher zu sein und nichts verbergen zu müssen, weckte man prompt die Beißwut stolzer Absolventen des „Roten Klosters“ (SED-Journalistenausbildungsstätte) oder des Johannes-R.-Becher-Instituts (SED-Diplom-Schriftsteller-Ausbildungsstätte). Die Überschriften der von den Boulevard-Scharfrichtern verfaßten Artikel sprechen für sich: „Faust-Autobiographie untermauert Stasi-Vorwürfe“, „Stasi-Faust: Was ist wahr in seinem Buch?“ Der ehemalige Bautzen-Häftling Xing-Hu-Kuo äußerte sich gar als Sprecher eines Mini-Opfervereins in unverantwortlicher Weise: „Schon lange gab es Gerüchte, daß Faust während der Haft von der Stasi umgedreht wurde und für sie tätig war, auch nach seiner Übersiedlung in den Westen 1976.“ Was nützt es also, wenn der Anwalt von der Gauck-Behörde die Bestätigung erhielt, daß daran absolut nichts Wahres ist?

Die wenigsten Psychiater oder Psychologen im Westen konnten mit den freigekauften politischen Hälftlingen aus der DDR jahrzehntelang kaum etwas anfangen. Erst in den letzten Jahren entwickelten sich in diesen Berufsgruppen zaghafte Ansätze des Verstehens „posttraumatischer Belastungsstörungen“. Die Forschungsergebnisse zu KZ-Überlebenden wagte man nicht auf die Häftlinge aus der DDR anzuwenden. Es sollte keine Vergleiche geben. Zwar ist die Wissenschaft nun immerhin zu der Einsicht gelangt, daß „die psychisch Gefolterten nachhaltiger geschädigt sind als diejenigen nach bloß körperlicher Tortur“, doch folgt daraus noch nichts.

Dieselben progressiven 68er, die für sich beanspruchen, das schamhafte Erinnern in Deutschland angestoßen und damit den Demokratisierungsprozeß gefördert zu haben, fordern uns bei jeder Gelegenheit dazu auf, mit unserer Leidensgeschichte, unseren kryptischen seelischen Verletzungen stumm zu bleiben. Wir bekämen nur den Beifall von der falschen Seite, den Feinden des Sozialismus. Uns wurden andere Maßstäbe aufgedrückt als die der „Opfer des Faschismus“. Die beiden Psychologen Klaus Behnke und Stefan Trobisch, die SED-Opfern praktisch helfen, benennen die Perspektive kurz und drastisch: „Gnadenlosigkeit ist die Folge.“ In einer Gesellschaft wie dieser sei „immerwährende Stärke“ gefordert: „Im Gegensatz dazu weist die Beschäftigung mit Tätern immer auf unsere eigene Täterschaft, was Kraft, Durchsetzungsfähigkeit und ewigen Sieg bedeutet und uns deshalb leichter fällt. Was wir dadurch aber opfern, sind die Opfer.“

Siegmar Faust, geb. 1944 in Dohna (Sachsen), Schriftsteller, in der DDR wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt, Herausgabe einer Häftlingszeitung, dafür 400 Tage Kellereinzelhaft. 1976 von der Bundesrepublik freigekauft. Publikationen: „Ich will hier raus“ (1983); „Der Freischwimmer“ (1987).


 
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