© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
UMWELT
Sondergenehmigung für Ritualmord
Volker Kempf

Das Leben von Frauen ist unantastbar, auch wenn sie Ehebruch begehen. Denn die Religionsfreiheit, Frauen bei Ehebruch zu steinigen, bricht nicht die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Frauen auf ein körperlich unversehrtes Leben. Das gehört zur deutschen Leitkultur. Dieser Punkt ist ziemlich unstrittig und wird von allen hier lebenden Menschen akzeptiert. Schwieriger wird es, wenn jemand meint, aus Tradition einmal im Jahr einen Ritualmord an einer Ziege begehen zu müssen, indem er sie von einem Turm wirft. In Spanien kommt das durchaus vor, ist aber auch dort nicht erlaubt.

Dann gibt es noch den Ritualmord des betäubungslosen Schächtens, der nicht nur Tradition hat, sondern bei Juden und Moslems auch religiös begründet wird. Und Religionsfreiheit ist bei uns grundgesetzlich verbrieft, die Freiheit des Tieres auf ein unversehrtes Leben oder wenigstens einen leidensfrei herbeigeführten Tod nicht. Also klagt ein muslimischer Metzger nun vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, daß er keine Sondergenehmigung zum Schächten erhält. Streitpunkt ist, ob der Verzehr von Fleisch betäubungslos geschächteter Tiere für Muslime zwingend ist oder nicht. Gerichte hätten hingegen keine Ahnung, islamische Texte auszulegen.

Doch dafür gibt es Sachverständige. Käme der Tierschutz endlich ins Grundgesetz, dann wäre mit dieser leidigen Diskussion um das Schächten Schluß, wie heute auch niemand das Thema der Steinigung von Frauen auf die Tagesordnung setzt. Wir leben hier nun einmal in Deutschland und nicht im Mittelalter, was sich langsam einmal auch bezüglich der Tiere im Grundgesetz niederschlagen sollte. Ein Urteil auf Grundlage des bestehenden Rechts wird in zwei Wochen erwartet.


 
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