© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Jürgen Todenhöfer
Stimme der Minderheit
von Thorsten Thaler

Die Hinweise aus der Umgebung Gerhard Schröders, er könne auf eine eigene Mehrheit der rot-grünen Regierungskoalition bei der Abstimmung im Bundestag über eine Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg verzichten, haben deutlich gemacht, woran es diesem Land fehlt: an einer gewichtigen parlamentarischen Opposition gegen den außenpolitischen Kurs des Kanzlers. Der Vorwurf trifft vor allem die CDU/CSU-Fraktion, die Schröder beinahe täglich ihre Unterstützung zusichert. Abweichende Stimmen aus dem Unionslager sind dagegen kaum zu vernehmen.

Um so überraschender war jetzt eine Wortmeldung des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Todenhöfer. Mit Blick auf den Afghanistan-Krieg kritisierte er in einem FAZ-Artikel die „eilfertige Unterwürfigkeit, mit der deutsche Politiker darum betteln, mitbombardieren zu dürfen“. Die Vereinigten Staaten steckten in der „afghanischen Falle“, der Krieg werde für sie und ihre Mitstreiter zu einem „Desaster“ werden. „Wir werden am Ende des Krieges erheblich mehr islamissche Terroristen haben als zuvor“, so Todenhöfer. Er plädierte für „gezielte Geheimdienstaktionen“, die wirkungsvoller seien als Bomben und Raketen. „Wir haben in Deutschland auch keine Bomben und Raketen eingesetzt, um die Baader-Meinhof-Bande auszuschalten“. Der promovierte Jurist Todenhöfer war Anfang der siebziger Jahre für einige Monate lang Richter in einem Baader-Meinhof-Prozeß.

Der 61jährige weiß nicht nur deshalb, wovon er spricht. Im badischen Offenburg geboren, gehörte er von 1972 bis 1990 dem Deutschen Bundestag an, wo er zunächst entwicklungs-, dann abrüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion war. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses reiste er mehrfach nach Afghanistan zu den Mudschahedin, die den sowjetischen Invasoren erbitterten Widerstand leisteten. Auch wenn sich die Fronten inzwischen verkehrt haben, bleibt für Todenhöfer die Erkenntnis gültig: Nur Afghanen können Afghanen besiegen.

Daß sich der heutige Vize-Chef des Münchner Burda-Konzerns (Flaggschiff: Focus) mit dieser Ansicht noch in einer Minderheitenposition befindet, stört ihn nicht. Schon einmal kämpfte er auf verloren geglaubtem Posten, als er in den achtziger Jahren - gegen den Zeitgeist auch in seiner eigenen Partei - unbeirrbar am Ziel der Wiedervereinigung festhielt. Sein politisches Credo faßte er 1989 in einem Buch mit dem programmatischen Titel „Ich denke deutsch“ zusammen. Darin rechnete er vor allem mit linksliberalen CDU-Politikern wie dem damaligen Generalsekretär Heiner Geißler ab, und auch der Kanzler und Parteivorsitzende Helmut Kohl bekam sein Fett weg.

In der Talkshow „Riverboat“ sagte Todenhöfer kürzlich, eine Mehrheit sei nicht zwangsläufig auch im Besitz der Wahrheit. Das habe ihn vor 1989 in seiner Meinung bestärkt, und darauf baue er auch heute wieder.


 
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