© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Meldungen

Wachsende Kluft zwischen arm und reich

MÜNCHEN. An ein Jubiläum, das im Zeichen des neoliberalen Zeitgeistes verschlafen wurde, erinnert Christian Beck in Stimmen der Zeit (H. 10/01): Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wird vierzig Jahre alt. 1961 wurde damit der Fürsorgegedanke als sozialpolitische Leitlinie verabschiedet. Das Abgleiten großer Bevölkerungsteile in die Armut hat jedoch auch das vom BSHG garantierte „sozio-kulturelle Existenzminimum“ nicht verhindert. Knapp drei Millonen Menschen beziehen Sozialhilfe, darunter 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche. 2,7 Millionen leben in verdeckter Armut. Dabei vertiefte sich die Kluft zwischen arm und reich in der „Ära Kohl“ dramatisch. Abstoßend sei es, wie Medien diese Realität verzerrten: Ausgiebig prangere man den „Sozialhilfemißbrauch“ an, der sich nur auf 280 Millionen beziffere, während dem Fiskus durch Steuerhinterziehung jährlich 150 Millarden Mark entzogen würden.

 

EU-Balkanpolitik in der Zwickmühle

STUTTGART. Das Agieren der EU auf dem Balkan signalisiert Rafael Biermann vom Bonner Zentrum für europäische Integrationsforschung eine tiefe Orientierungskrise, wie sie schon in der Diskussion über den Kandidatenstatus der Türkei zutage trat. Unter dem Eindruck des Kosovo-Krieges habe Brüssel in den Balkan-Staaten übereilt Beitrittshoffnungen geweckt. Nun mehren sich die Zweifel, ob es wirklich Aufgabe der EU sein könne, noch das „Pulverfaß Balkan“ zu integrieren. Die Argumente derer, die 1999 vor diesem Integrationismus warnten, scheinen angesichts der verfahrenen Lage in Mazedonien heute zu überwiegen. Ein Brüsseler Rückzieher wäre aber jetzt nicht mehr ohne schweren politischen Schaden möglich.

 

Kein nationales Erwachen Arabiens

FREIBURG. Britisches Gold und Aussicht auf fette Beute veranlassten Arabiens Beduinen unter dem Scherifen von Mekka seit 1915 gegen die türkische Herrschaft zu kämpfen - „und nicht hehre Freiheitsideale“. Peter Thorau, in Saarbrücken lehrender Orient-Spezialist, ist in einer Studie über T. E. Lawrence bemüht, bei dessen Aktivitäten Mythos und Wirklichkeit zu trennen (Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte, H. 1/01). Mit dessen von Hollywood glorifiziertem „Aufstand in der Wüste“ begann nicht das „arabische Erwachen“ im Zeichen des Anti-Imperialismus. Die Bevölkerungsmehrheit Palästinas und Syriens war proosmanisch eingestellt und lehnte den von Lawrence angestachelten Scherifen ab. Der sei kein Exponent nationaler Selbstbestimmung, sondern ein Imperialist gewesen, der sich an die Stelle der Türken setzen wollte. Trotzdem werde sein Kampf noch heute im arabischen Raum als gemeinschaftsstiftender Mythos propagandistisch gegen „westliche Bevormundung und Einmischung“ genutzt.


 
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