© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Leistungsanreiz
Karl Heinzen

Die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen hat im Auftrag der britischen Mobilfunkfirma Vodaphone herausgefunden, daß die von ihrem Kunden an Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser anläßlich der Übernahme dieses Unternehmens gezahlte Abfindung in Höhe von insgesamt 60 Millionen Mark angemessen war. Wem noch die großen Visionen eines ganzheitlichen, also die willkürliche Trennung zwischen Festnetz und Mobilfunk überwindenden Telefonierens vor Augen stehen, denen dieser so unscheinbare wie bescheidene Mann über Nacht entsagen mußte, wird den Tenor des Gutachtens allein schon aus ideellen Erwägungen begrüßen müs­sen. Es gibt aber, wie das in der Wirt­schaft ja so oft vorkommt, auch durch­aus materielle Gründe.

Rund 29 Millionen Mark der Summe, die Esser erhielt, ergeben sich nämlich aus der Fortzahlung seiner Bar- und Bonusbezüge für die vier Jahre Restlaufzeit seines Vertrages. Sie sind, so hat Ar­thur Andersen ermittelt, über jeden Zweifel erhaben, wenn man die Jahresbe­züge von einfachen Vorstandsmitgliedern vergleichbarer Aktiengesellschaften als Maßstab bemüht. Zwar gibt es hier immer noch Unternehmen wie etwa die Allianz, Schering oder auch die Deutsche Telekom, die mit risikofreien Grundgehältern und Boni knapp über der Eine-Million-Euro-Marke dümpeln und diese erst, wenn man Aktienoptionen mit all ihren Unwägbarkeiten hinzurechnet, deutlich übersteigen. In einem guten Jahr wie es etwa 2000 war, sind für manche Vor­stände in bestimmten Unternehmen, wie etwa der Deutschen Bank, auch schon einmal zehn Millionen Euro oder mehr drin. Klaus Esser hat, was diesen Teil seiner Ab­findung betrifft, also durchaus respektabel, aber keineswegs exor­bitant „kas­siert“. Der Fehler liegt bei einer wirtschaftsblinden und neiderfüllten Öffentlichkeit, die nicht wahrnehmen will, daß die Globalisierung eben auch zu einer Vereinheitlichung der Sozial­standards für die Verantwortungsträger der Global Player führt.

Weitere rund 32 Millionen Mark schließ­lich hat Esser als Anerkennungsprämie für seine Leistungen in den Diensten des Unternehmens erhalten. Hier könnte man, da Werturteile immer subjektiv sind, sicher über die eine oder andere Million feilschen, sollte aber die gesamtgesellschaftlichen Folgen solchen Tuns bedenken: Es wäre fatal, wenn bei den Arbeitnehmern der Eindruck ent­stünde, Leistung würde sich nicht mehr lohnen.

Die Rückenstärkung für Klaus Esser kommt zur rechten Zeit. Die im Dax no­tierten Unternehmen wollen die an ihrer Ertragskraft gemessene Zukunftsfähigkeit unseres Landes in der nächsten Zeit mit dem Abbau von mindestens 80.000 Stellen sichern. Wer seinen Ar­beitsplatz verliert, kann sich zwar daran aufrichten, daß er damit einen Beitrag zu mehr Flexibilität und mehr Mobilität leistet. Vielen wird dies aber nicht genügen. Je geringer ihre Chancen sind, desto größer müssen die Erfolge der Wenigen sein, die es den­noch schaffen.


 
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