© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/01 02. November 2001 |
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Abschied vom Liberalismus Das Phänomen Houellebecq Tobias Wimbauer Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq spaltet als eingefleischter Antiliberaler Kritik und Leser in Pro- und Contra-Fraktionen. Die Ausweitung der Kampfzone (1994, dt. 1999) wurde vom Geheimtip zum Bestseller; die Elementarteilchen (1998, dt. 1999) - ein grandioser Roman über das Erbärmliche, ergo das Leben - wurde von den einen gefeiert, von den anderen ob seiner Antis (Antiliberalismus, -feminismus usw.) abgelehnt. Die Elementarteilchen vereinten die scharfe Gegenwarts - und Zivilisationskritik Houellebecqs mit einem peitschenden Abgesang auf die 68er und auf den Rattenschwanz kruder Folgeschäden, die diese Bewegung nach sich gezogen hat, von Multikultiwahn bis political correctness. Houellebecqs neuer Roman Plateforme, in diesem Sommer erschienen und für 2002 auf deutsch angekündigt, sorgte schon vor seiner Veröffentlichung für heftige Kontroversen über den Sextourismus. Auch wegen seiner Äußerung, daß der Islam die beknackteste Religion sei, wurde Houellebecq angefeindet. Gelegentlich diskutiert sind seine vorzüglichen Essays (dt. 1999: Die Welt als Supermarkt); kaum umstritten sind jedoch Houellebecqs Gedichtbücher. Thomas Steinfeld, Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung und vormals bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat im deutschen Hausverlag des vier Jahre jüngeren Franzosen, DuMont, einen Sammelband zusammengestellt, der achtundzwanzig Beiträge über Houellebecq vereint. Abgesehen von fünf Originalbeiträgen sind die Texte unterschiedlichen Periodica entnommen. Kommt der Band zu früh, da die Plateforme-Debatten noch nicht ausgefochten sind? Für ein literaturgeschichtliches Fazit ist es eindeutig zu früh, für eine Rückschau auf vergangene Diskussionen ist der Zeitpunkt gerade recht, bevor die deutsche Ausgabe von Plattform erneut Kreise ziehen wird. Der Beitrag Houellebecqs Cléopâtre 2000, ein deutscher Erstdruck, handelt überraschenderweise von Partnertausch und Sex als ex-individualisierter Handlung peripheren Lustgewinns in der entsinnlichten Moderne. Thomas Steinfeld: Das Phänomen Houellebecq. DuMont, Köln 2001, 270 Seiten, 34 Mark |