© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/01 02. November 2001

 
Frische Brise für Bürgerliche
Hamburg: Ronald Schill als Parteichef wiedergewählt / CDU-Politiker warnen vor bundesweiter Ausdehnung der Partei Rechtsstaatlicher Offensive
Frank Schilling / Peter Freitag

Mit stehenden Ovationen begrüßten die etwa fünfhundert anwesenden Mitglieder der Partei Rechtsstaatlicher Offensive ihren Vorsitzenden Ronald Schill zu Beginn des Parteitags am vergangenen Sonntag. Für die Zufriedenheit der Basis gibt es handfeste Gründe: das hervorragende Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl, ein Koalitionsvertrag des Bürgerblocks, in dem die Schillsche Handschrift deutlich lesbar ist, drei Senatorenposten für ihre Partei und die Perspektive einer Ausdehnung auf andere Bundesländer. Darüber hinaus konnte Schatzmeister Norbert Frühauf trotz des vergangenen Wahlkampfs ein Guthaben in der Parteikasse vorweisen, da die eingegangenen Spenden die Ausgaben übertrafen.

Die breite Zustimmung für den Kurs des Vorsitzenden läßt sich auch im Ergebnis seiner Wiederwahl ablesen: der Landesvorsitzende und designierte Hamburger Innensenator Schill erhielt 98 Prozent der Stimmen. Auch die stellvertretenden Vorsitzenden Mario Mettbach und Dirk Nockemann sowie Schatzmeister Frühauf und die Schriftführerin Kathrin Freund wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Der alte und neue Vorsitzende ging in seiner Parteitagsrede noch einmal auf die Gründe für den Erfolg der Partei ein. „Die Leute wollen wieder die Normalität“, so Schill, und die Partei Rechtsstaatlicher Offensive habe diesem Willen Ausdruck verliehen. „Mit unserem Programm hätten wir vor einigen Jahrzehnten keinen Blumentopf gewinnen können, aber heute herrscht in Hamburg eben keine Normalität!“

Die Tatsache, daß die Parteibasis ihrer Führung so großes Vertrauen entgegenbrachte, entkräftete die Spekulationen über eine eventuelle Unzufriedenheit des Parteivolks. Daß nicht alle Forderungen aus dem Wahlprogramm - so beispielsweise die 2.000 zusätzlichen Polizisten oder die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters von 14 auf 12 Jahre - in den Koalitionsvertrag eingebracht werden konnten, erschien den meisten vertretbar. Um eventuellen Unmut über eine drohende Vetternwirtschaft zu verhindern, erklärte zudem Schills Lebensgefährtin Kathrin Freund, sie strebe keinen Posten als Staatsrätin an. Dergleichen sei ihr zwar von der CDU angetragen worden, sie habe jedoch - entgegen anderslautenden Gerüchten in der Presse - abgelehnt.

Voll Stolz verkündete Schills Stellvertreter Mettbach, daß man derzeit 1.445 Mitglieder habe, bald aber schon das 2.500. Mitglied in den Reihen willkommen heißen könne. Die Bearbeitung der Anträge sei deshalb so aufwendig, weil man von den Aspiranten einen politischen Lebenslauf verlange: „Keine Partei schützt sich so gewissenhaft gegen eine rechtsradikale Unterwanderung wie wir“, so Mettbach.

Für die bundesweite Ausdehnung der Partei zeichnet der zweite stellvertretende Vorsitzende Nockemann verantwortlich. Dabei soll zunächst mit der Bildung neuer Orts- und Kreisverbände begonnen werden, aus denen dann ein Landesverband entstehen könne. Schill gab allerdings die Parole aus, daß die Ausweitung nicht um ihrer selbst willen stattfinde. „Wo wir ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde befürchten müßten, treten wir nicht an!“ sagte Schill. Länder wie Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern, in denen es um die Sicherheit der Bürger besser bestellt sei, stünden deshalb nicht an der Spitze für einen möglichen Wahlantritt. Priorität dagegen genießt Sachsen-Anhalt, wo im kommenden April Landtagswahlen stattfinden.

Die Chancen, dort reüssieren zu können, stehen für die Schill-Partei bestens: Denn die CDU-Opposition, die in den Landtagswahlen 1998 lediglich 22 Prozent erhielt, fällt nicht gerade durch eine charismatische Führung auf. Außerdem macht Schill keinen Hehl aus seiner Absicht, im Revier der PDS nach Wählerstimmen zu wildern. Auch gab bereits der Chemnitzer Parteienforscher Eckhard Jesse eine positive Prognose für einen elbaufwärts verlegten Wahlerfolg Schills und einen möglichen Einzug seiner Partei in den Magdeburger Landtag ab. So gibt sich auch Nockemann optimistisch: „Die heimatlosen Konservativen wollen zu uns; die sehen in der CDU keine Möglichkeiten mehr.“ Des einen Freud ist des anderen Leid - letzteres trifft offensichtlich auf die Union zu, in der die Nervosität langsam zunimmt.

Angesichts drohender Schillscher Scharen außerhalb Hamburgs läuteten bei einigen Spitzen der C-Parteien die Alarmglocken. So äußerte der niedersächsische CDU-Vorsitzende Christian Wulff gegenüber der Frankfurter Allgemeinen seine Bedenken, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigließen: „Bei einer Ausbreitung dieser Partei droht der CDU, den Rang einer Volkspartei zu verlieren.“

Wulff befürchtet, CDU-Mitglieder könnten eine Ausdehnung der Schill-Partei für eventuelle Koalitionen befördern. Schill biete zudem enttäuschten Unionswählern Zuflucht, gab Wulff selbstkritisch zu. Immerhin gestand Wulff, der auch Vize-Chef derBundespartei ist, der Schill-Partei zu, sie stehe „außerhalb des Verdachts, rechtsradikale Neigungen zu haben“. Daß die Partei des Hamburger Amtsrichters in Kernbereiche der Union eingedrungen ist, attestierte ihr auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung äußerte Koch mit Blick auf die schlechten Ergebnisse seiner Partei in Hamburg und Berlin: „Wir müssen uns des Risikos bewußt sein, daß wir sowohl von der FDP als auch von der Schill-Partei in die Zange genommen werden.“ An die eigene Partei und ihre Stellung zum Thema Innere Sicherheit im Hinblick auf die Bundestagswahl gerichtet meinte Koch: „Wenn bürgerliche Wähler uns den Erfolg zutrauen, dann wählen sie die zentrale Kraft der bürgerlichen Mitte und nicht Splittergruppen.“

Was die anstehenden Wahlen in Sachsen-Anhalt angeht, scheint einige Vorstandsmitglieder der Union der Mut verlassen zu haben. So äußerte Hildegard Müller, Bundesvorsitzende der Jungen Union und nicht im Ruf stehend, für rechte Anliegen besonders empfänglich zu sein, im Konrad-Adenauer-Haus recht drastisch ihre Befürchtung: „Die Schill-Partei kann in Sachsen-Anhalt stärker werden als die CDU.“ Für Beunruhigung sorgt auch das Gerücht, die Partei Rechtsstaatlicher Offensive sei schon an CDU-Landtagsabgeordnete in Magdeburg herangetreten, von denen nicht wenige mit einem Wechsel liebäugelten.

Schill soll sich erneut vor Gericht verantworten

Eine mögliche Ausweitung und damit Aufwertung der Schill-Partei wird nun auch in Bayern mit größter Sorge betrachtet. Die Entstehung einer weiteren konservativen Partei verändere die deutsche Parteienlandschaft fundamental, meinte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, gegenüber der Berliner Morgenpost: „Das hätte weitreichendere Folgen als die Spendenaffäre.“ Schuld daran sei die Vernachlässigung traditionell konservativer Wähler durch die Schwesterpartei und deren Personallücke. „Die CDU hat hier ein Vakuum entstehen lassen“, so Ramsauer,„wir haben unsere Stammkundschaft dagegen noch nie vernachlässigt.“ Ob und inwiefern die derart kritisierte Schwesterpartei daraus die nötigen Konsequenzen ziehen kann, bleibt angesichts ihrer angeschlagenen Führung fraglich.

Nach dem Parteitag wurde unterdessen bekannt, daß Ronald Schill sich vom 14. Dezember an erneut wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung vor Gericht verantworten soll. Eine frühere Verurteilung des Landgerichts Hamburg zu einer Geldstrafe von 12.000 Mark war vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben worden (die JF berichtete).

Derweil geht in Hamburg der Wechsel im Senat ohne Schwierigkeiten vonstatten. Lediglich der bisherige Innensenator und SPD-Landesvorsitzende Olaf Scholz spielt die beleidigte Leberwurst und lehnt eine feierliche Amtsübergabe an seinen Nachfolger Ronald Schill ab - wohl wissend, daß der nur wegen eklatanter Mißstände in diesem Ressort dort nun das Zepter in die Hand nehmen kann.


 
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