© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Blick in die Medien
Interaktivität
Ronald Gläser

Auch die „Systems“-Messe blieb vom derzeitigen Niedergang der Neuen Ökonomie nicht verschont. Beherrschte vor zwei Jahren die Neuen Medien noch übertriebene Euphorie, so ist augenblicklich Pessimismus weitverbreitet. Auf der Münchner Messe versuchten sich die Vordenker der Informationsgesellschaft wieder Mut zu machen. Sie widmen sich dabei gerne der Zukunft des Fernsehers. Eine Hoffnung basiert auf der Verbindung mit dem Internet. Bislang beschränkt sich die Interaktivität des Fernsehens auf eingeblendete Telefonnummern und Internetadressen. Videotext hat sich als Bereicherung des Programmangebots durchgesetzt. Die Branche träumt deswegen von einer weitergehenden Verbindung mit Datendiensten, die den Fernseher zum Internetzugang machen. So ließen sich neue Geschäftsfelder erschließen: Der TV-Konsument könnte nach einem Julia-Roberts-Film sofort Kinokarten für ihren nächsten Film erwerben, Nachrichtensendungen könnten durch kostenpflichtige Zusatzinformationen angereichert werden usw. Diese Denkmodelle übersehen die Rolle, die der Fernseher in unserer Gesellschaft einnimmt. Er ist zwar in jeder Familie voll integriert und hat sich sogar - anders als der Computer - im heiligen Schlafzimmer etabliert. Fernsehen ist aber eine zutiefst passive Beschäftigung. Die einzige Tätigkeit, die der Zuschauer außer Chipsessen und Biertrinken ausübt, ist der Programmwechsel. Soll dieses tiefsitzende Verhaltensmuster geändert werden, steht die gesamte Fernsehbranche vor einer gewaltigen Herausforderung.


 
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