© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Kulturelle Konflikte verstärkt spürbar
Kongreß: PR-Manager tagen in Berlin / Huntington analysierte kulturelle Unterschiede / Aus für „Globales Marketing“
Ronald Gläser

Für Samuel Huntington sind die jüngsten Konflikte zwischen dem Westen und der islamischen Welt nicht überraschend eingetreten. Schon 1996 wies er in seinem (inzwischen in 26 Ländern verlegten) Buch „Der Kampf der Kulturen“ dezidiert auf diese kommende Herausforderung hin. Vergangene Woche bekräftigte er seine These, als er in Berlin den zentralen Vortrag bei der Jahrestagung der internationalen „Public Relations“-Industrie hielt - also derjenigen, die die Selbstdarstellung von Unternehmen und Institutionen in der Öffentlichkeit organisieren.

Das diesjährige Treffen des PR-Dachverbandes (IPRA) fand in Berlin statt. Das zentrale Thema war nicht nur berufsspezifischer oder wirtschaftlicher Natur - es lautete „Managing cultural differences“. Für das Selbstverständnis und das Erscheinungsbild von weltweit operierenden Unternehmen sind kulturelle Unterschiede von herausragender Bedeutung. Schon die Tatsache, daß kein geringerer als Huntington als Hauptgast geladen war, verrät ein Umdenken der gesamten Branche. Er selbst hat als Harvard-Professor mit dieser Unternehmensfunktion überhaupt nichts zu tun. Er sei lediglich einmal in den fünfziger Jahren „mit der Tochter eines PR-Managers ausgegangen“, bemerkte Huntington.

Huntington hat die globale Lage nach dem Ende des Ost-West-Konflikts analysiert. Dem Wiedererstarken des Islam räumt der Politikprofessor eine bedeutende Rolle ein. Er interpretiert den Wandel in den von Mohammedanern bevölkerten Ländern, indem er sich vom christlichen Weltbild löst. Das ist notwendig, um eklatante Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Modernisierung und „Verwestlichung“ in gesellschaftlicher Hinsicht konnten nur eine Zeitlang parallel verlaufen. Die Modernisierung der arabischen, asiatischen und afrikanischen Regionen ist ein unaufhaltsamer Prozeß. Diese Länder mußten zwangsläufig die Industrielle Revolution des Westens nachholen. Aber die gleichzeitig erfolgte gesellschaftliche Anpassung widersprach dem Wesen der vorherrschenden Kultur.

So gelangten die islamisch geprägten Länder ab 1970 etwa an einen Punkt, an dem sich die Bevölkerung wieder den eigenen Wertvorstellungen zuwandte. Huntington macht dies unter anderem an dem Anwachsen des jugendlichen Bevölkerungsteils fest. Junge, besser ausgebildete Menschen - oftmals mit Universitätsabschluß - tendieren eher zu einer kompromißlosen Auslegung ihrer Religion als ältere, weniger gebildete Menschen.

Diese Entwicklung findet in den Fundamentalisten in Afghanistan, Algerien oder auch im Iran extreme, respektive perverse, Vertreter. Dennoch hat dieser Trend die gesamte Region erfaßt. Die Spannungen zwischen dem Westen und dem Islam sind demnach von tiefgreifenderer Bedeutung als der Konflikt zwischen den USA und den Taliban. Natürlich schätzt Huntington die Gruppe um bin Laden als sehr gefährlich ein, weil sie den Konflikt gezielt anheizt. Daß seine Regierung die Kooperation islamischer Staaten sucht, begrüßte er in seinem Vortrag ausdrücklich.

Dafür, daß es sich um ein Treffen von hochrangigen PR-Managern aus aller Walt handelte, hielt sich das öffentliche Interesse erstaunlich in Grenzen. Der Wandel im Denken der mit Public Relations betrauten Führungskräfte war dafür um so stärker zu spüren. Public Relations bedeutet mehr als gewöhnliche Werbung und auch mehr, als der deutsche Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“ vermittelt. Die Beziehungen zu den komplexen Umwelten jenseits der Unternehmensgrenzen werden in der vernetzten Informationsgesellschaft immer wichtiger.

Wie sich die PR-Leute darauf einstellen, verdeutlichten die beiden folgenden Referate zweier hochrangiger Manager. Der Vertreter von DaimlerChrysler argumentierte, daß kulturelle Konflikte dann verstärkt spürbar würden, wenn weitere Anlässe für Konflikte hinzukämen. Dies sei im Falle seines deutsch-amerikanischen Konzerns der Fall. Zunächst sei die Fusion bejubelt worden. Erst als der Mega-Autobauer in schweres Fahrwasser geraten sei, seien kulturelle Unterschiede zutage getreten. Dabei unterlag der Unternehmenssprecher dem Fehler, den Tenor der Wirtschaftspresse überzubewerten, die vor drei Jahren noch jede Fusion lobte, heute aber Kritikpunkte mit der Lupe sucht. Unabhängig von der Berichterstattung in den Medien dürften gewisse Unterschiede im Denken und Handeln von deutschen Daimler- und amerikanischen Chrysler-Beschäftigten von Anfang an bestanden haben.

Mit sehr viel Selbstkritik näherte sich der Manager von Coca Cola dem Themenkomplex. Vernichtend habe sich der Skandal um verunreinigte Coladosen in Belgien im vergangenen Jahr ausgewirkt. Daraufhin habe das Unternehmen sein gesamtes Konzept der Darstellung und der Beziehung zu seiner Umwelt geändert. Dem kulturellen Aspekt werde nun allgemein mehr Bedeutung zugewiesen. Die Bürger und Kunden einer Absatzregion seien mehr als nur Verbraucher. Und Gesellschaften würden nicht mehr profan als Märkte definiert. Zu diesem Zweck wurde die Verantwortung für Öffentlichkeitsarbeit (PR) nach unten verlagert. Sie wurde „re-nationalisiert“.

Damit rücken die Verantwortlichen in der Industrie von der blauäugigen Vorstellung der „Einen Welt“ ab. Sie verwerfen den - auch in der Fachwelt - ohnehin nie ganz akzeptierten Gedanken an ein „globales Marketing“, durch das weltweit operierende Konzerne sämtliche Verbraucher über einen Kamm zu scheren versuchen. Daß mit Coca Cola ausgerechnet eines der ältesten und symbolträchtigsten US-Unternehmen diesen Schritt geht, ist bahnbrechend. Längst hat sich herausgestellt, daß die Marktmacht globaler Konzerne nicht zwangsläufig kleinere Mitbewerber verdrängen muß. Symptomatisch ist auch der Erfolg des „deutschen“ Musikkanals Viva im Vergleich mit dem „internationalen“ MTV, das sich sogar gezwungen sah, sein Programm spezieller auf die deutschen Zuschauer zuzuschneiden.


 
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