© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Sturz ins Bodenlose
Berlin-Wahl: Nach der herben Niederlage ist die politische Zukunft des CDU-Spitzenkandidaten Steffel höchst ungewiß / Rechtsparteien blieben chancenlos
Thorsten Thaler

Für den Spitzenkandidaten der Berliner CDU, Frank Steffel, hat nach der desaströsen Wahlniederlage der Kampf um seine politische Zukunft begonnen. Obwohl er am Wahlabend sofort die „Hauptverantwortung“ für das Debakel übernahm, denkt der erst 35jährige Unternehmer offenbar nicht daran, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Forsch und selbstbewußt kündigte er ebenfalls noch am Sonntag an, wieder als Fraktionsvorsitzender zu kandidieren. Ob ihm die auf 35 Abgeordnete geschrumpfte Fraktion dabei folgt, ist jedoch keineswegs sicher.

Ebenfalls fraglich ist, ob Steffel noch Chancen hat, Landesvorsitzender der Berliner CDU zu werden. Ursprünglich war geplant, daß der im Juni als Regierungschef abgewählte Eberhard Diepgen, der die Union seit 1984 führt, nach der Wahl seinen Posten für Steffel freimacht (JF 30/01). Doch die über lange Regierungsjahre unter Diepgen erfolgsverwöhnte Berliner CDU liebt keine Verlierer; insbesondere die jetzt nicht mehr ins Parlament gewählten Lokalgrößen könnten ihrem Unmut freien Lauf lassen.

Am wahrscheinlichsten gilt ein Szenario, wonach Steffel am kommenden Dienstag zwar zähneknirschend zum Fraktionschef gewählt wird, ein Jahr später aber seinen Posten wieder räumt. Wie in CDU-Kreisen hinter vorgehaltener Hand zu erfahren ist, könnte sich Frank Steffel im Herbst 2002 in seinem Heimatbezirk Reinickendorf um ein Bundestagsmandat bewerben und dann ohne allzu großen Gesichtsverlust den Vorsitz der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus aufgeben. Keine Rolle mehr spielt in diesen Überlegungen die Frage, ob Steffel noch der geeignete Kandidat für den Landesvorsitz ist.

Wenn die Union den Verlust von 17,1 Prozent auf 23,7 Prozent der Stimmen auch nicht allein ihrem Spitzenkandidaten anlastet (siehe Interview auf dieser Seite), so sehen weite Teile der Partei in dem unglücklichen Auftreten Steffels im Wahlkampf doch einen gewichtigen Grund für das Ausmaß der Niederlage. Dafür spricht auch, daß Steffel zwar seinen eigenen sicheren Wahlkreis in Reinickendorf (Frohnau, Hermsdorf, Freie Scholle) mit 40,8 Prozent der Erststimmen direkt gewinnen konnte, gegenüber der letzten Abgeordnetenhauswahl im Oktober 1999 aber überdurchschnittliche 21,5 Prozent einbüßte.

Wie dramatisch der Absturz der CDU ist, zeigt sich nicht zuletzt an den Ergebnissen in ihren bisherigen Hochburgen im Westteil Berlins. Im Vergleich zu 1999 verlor die Union in Steglitz/Zehlendorf 20,3 Prozent, in Tempelhof/Schöneberg 18,8 Prozent und in Neukölln 18,6 Prozent. Insgesamt stürzte sie in den Westbezirken von 49,3 Prozent auf 30,8 Prozent, im Ostteil der Stadt von 26,9 Prozent auf 12,4 Prozent. Besonders schmerzen dürfte die CDU der Verlust jener rund 30.000 Wähler von 1999, die am vergangenen Sonntag ihr Kreuz bei der PDS gemacht haben. Für die Postkommunisten, die im Ostteil der Stadt auf 47,6 Prozent kamen, bedeuteten die CDU-Stimmen den größten Einzelzuwachs.

Hohe Verluste mußte die Union auch bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen verzeichnen. In etlichen Bezirken wird sie künftig nicht mehr den Bürgermeister stellen, darunter in dem prestigeträchtigen Hauptstadtbezirk Mitte. Dort muß mit Joachim Zeller einer der wenigen bekannten CDU-Politiker, die nicht aus dem Westteil der Stadt stammen, das Feld räumen. Erst im Wahlkampf war Zeller von Steffel zum Generalsekretär der Berliner CDU bestimmt worden.

Chancenlos bei dieser Wahl blieben die Rechtsparteien Republikaner und NPD. Eine „herbe Niederlage“ seiner Partei räumte der stellvertretende Bundesvorsitzende und frühere Landeschef der Berliner Republikaner, Werner Müller, ein. Es sei zwar klar gewesen, daß das Ergebnis von 1999 nicht zu halten gewesen sei, aber die Stimmenverluste seien höher ausgefallen als erwartet. Nach 2,7 Prozent vor zwei Jahren landeten die Republikaner jetzt bei 1,3 Prozent. Ihr bestes Resultat erreichte die Partei im Bezirk Neukölln mit 2,2 Prozent.

Während die Republikaner im Ostteil der Stadt (1,2 Prozent) und im alten West-Berlin (1,4 Prozent) nahezu das gleiche Ergebnis erzielten, ist die NPD in den östlichen Stadtbezirken deutlich stärker. Dort kam sie auf 1,6 Prozent, während es im Westteil nur zu 0,5 Prozent reichte. Berlinweit verfehlte die von einem Verbot bedrohte NPD mit 0,9 Prozent ihr erklärtes Ziel, die Grenze zur Wahlkampfkostenerstattung zu überwinden. In einer Stellungnahme gestand Parteichef Udo Voigt das Scheitern ein, meinte aber zugleich, die NPD könne angesichts der Polarisierung der großen Parteien, der Kriegsstimmung und des kurzen Wahlkampfes „mit dem Ergebnis leben“. Voigt zeigte sich überzeugt davon, daß die nächsten Wahlen „sicher nicht erst in fünf Jahren stattfinden“ werden.

Dieser Einschätzung wird von dem Vize-Vorsitzenden der Republikaner geteilt. Unabhängig von der Zusammensetzung des Senats würden die Berliner „in nicht allzu ferner Zukunft“ erneut an die Urnen gerufen, erklärte Müller. „Es ist sicher, daß das Ergebnis dann - auch für uns - anders aussehen wird als am 21. Oktober“, sagte Müller.


 
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