© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
PRO&CONTRA
Mehr Daten auf den Ausweis bringen?
Hans Büttner / Dr. Helmut Bäumler

Freiheit und Sicherheit bedingen sich gegenseitig. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, ohne Freiheit keine Sicherheit. Die Freiheit des Einzelnen hat dort ihre Grenzen, wo die Freiheit und Sicherheit des anderen beeinträchtigt sind. In einer Demokratie ist dabei zumindest soviel Transparenz erforderlich, daß der Einzelne und auch die Gemeinschaft der Einzelnen, also der Staat, weiß mit wem er es zu tun hat, und seine Identität kennt.

Diese Identität festzustellen ist Aufgabe der Identitätspapiere. Heute wird das durch Lichtbild und Unterschrift festgestellt - Merkmale, die sich aber relativ leicht fälschen lassen. Ausweispapiere wurden deshalb in den vergangenen Jahrzehnten mit den jeweils möglichen technischen Hilfsmitteln verbessert. Doch auch sie sind heute technisch überholt. Wenn es möglich ist, die Identität zum Beispiel durch den Fingerabdruck sicherer zu machen, so ist dies ein Beitrag für mehr Freiheit und Sicherheit des Einzelnen. Wichtig dabei ist allerdings, daß der Einzelne weiß, was mit seinen Identitätsmerkmalen angestellt wird. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muß der Bürger wissen, durch wen und wo seine Daten gespeichert werden und was mit ihnen angefangen wird. Er muß das Recht besitzen, jederzeit Einblick in seine gespeicherten Daten zu erhalten und öffentlich mit allen rechtlichen Mitteln vorzugehen, wenn seine Daten eventuell unrechtmäßig verwendet werden.

Das Problem ist also nicht, ob die Identität des Einzelnen durch Fingerabdruck oder biometrische Daten sicherer festgestellt wird, sondern, wie, wo, wann und zu welchem Zweck sie gespeichert werden. Daß dies im Rahmen der Bestimmungen des Grundgesetzes erfolgt, darauf wird der Bundestag streng achten - damit Freiheit und Sicherheit gewährt bleiben.

 

Hans Büttner ist SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuß und Chefredakteur der Zeitschrift „Soziale Sicherheit“. Er kommt aus Ingolstadt.

 

 

Von der Grundüberlegung ist schon etwas zu halten - Ausweispapiere dienen dem Zweck, Menschen zu identifizieren. Wenn man diesen Zweck akzeptiert, dann ist es legitim, darüber nachzudenken, wie man dies verbessern kann. Allerdings läßt der Gesetzentwurf des Innenministers Otto Schily noch eine ganze Reihe von Fragen offen und enthält Punkte, die höchst bedenklich sind. Offen ist zum Beispiel, welche biometrischen Daten erfaßt werden sollen. Ist es nur der Fingerabdruck und die Gesichtsgeometrie, wie es dort genannt worden ist oder gehören die hochsensiblen genetischen Daten dazu, die man unter dem Begriff der Biometrie fassen könnte?

Problematisch ist folgendes: Einmal könnte die Gesichtserkennung auf lange Sicht ein Einstieg in die automatisierte Fahndung sein, da wir inzwischen überall in Deutschland Videoüberwachungssysteme haben. Es wäre denkbar, die gleiche Technik auch für die Auswertung von Videobildern einzusetzen, so daß man große Bereiche der Innenstädte mit automatisierter Fahndung bestreifen könnte. Das zweite ist, daß im Gesetz vorgesehen ist, die Fingerabdrücke auch bei den Paß- und Ausweisbehörden zu speichern. Hierdurch entstünden zunächst auf der Ebene dieser Ämter - also dezentral - Fingerabdrucksammlungen. Man muß aber kein Prophet sein, um zu wissen, daß dies über kurz oder lang ein Bundeseinheitliches Register wäre. Im Klartext: Die gesamte erwachsene Bevölkerung wäre mit ihrem Fingerabdruck gespeichert.

Die Polizei könnte dann ihre Verbrecherkarteien einstampfen, weil die Fingerabdrücke leicht verfügbar wären. So zeigen die Pläne zur Speicherung biometrischer Daten in den Pässen und Personalausweisen exemplarisch, was vom gesamten Schily-Entwurf zu halten ist: mit heißer Nadel gestrickt, unausgegoren und weit über das Ziel einer angemessenen Antwort auf die Terroranschläge vom 11. September hinausschießend.

 

Dr. Helmut Bäumler ist Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein.


 
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