© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001


Medien und der Krieg
Griffe kloppen am Schreibtisch
Dieter Stein

Seit dem 11. September wird man in Deutschland auf Kurs gebracht. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“ lautet die geistreiche Formel, die jedem, der nicht pariert, um die Ohren gehauen wird.

Das bekommen sogar von den Medien sonst wohlgelittene Menschen zu spüren, die man in unseren Breiten „Intellektuelle“ zu nennen beliebt. Bundesinnenminister Otto Schily hatte in einem Interview deren amerikakritische Äußerungen kritisiert. Empört wird dies nun zurückgewiesen. Der Philosoph Peter Sloterdijk erklärte: „Wenn Schily als deutscher McCarthy in die Geschichte des Ungeistes eingehen will, soll er ruhig so weiterreden.“ Der Schriftsteller Tilman Spengler: „Es wird Gott sei Dank noch nicht vom Bundesinnenministerium bestimmt, was intellektuell ist und was nicht.“

Kühle Analysten haben keine Chance, es wird mit Emotionen gearbeitet. Und Medien dienen sich als hackenknallende Hilfswillige im unreflektierten Kampf gegen „das Böse“ an. Es hat sich in Deutschland eine neue Gattung des schneidigen Kriegskolumnisten herausgebildet. Mit den Tastaturen werden Griffe gekloppt und die Leserschaft auf „unbedingte Solidarität“ eingenordet. Und wehe, es tanzt einer aus der Reihe. Diese Mitglieder einer kernigen Schreibmaschinen-„Task Force“, die im Zweifel noch nie eine Kaserne von innen gesehen haben, überbieten sich gegenseitig im Wehrwillen - nur andere sollen ihre Haut für US-Abenteuer hinhalten. Georg Gafron, Chef des Boulevardblatts BZ, Franz Josef Wagner, Ibiza-brauner Sonnyboy mit Kolumne auf Seite 2 der Bild-Zeitung sind zwei der traurigsten Figuren im Wettstreit um die servilsten Beiträge zur totalen Mobilmachung in Liliput-Deutschland.

Wie unverhohlen dieser dumpfe Pro-Amerikanismus (warum ist denn immer nur Anti-Amerikanismus „dumpf“?) zur Ausschaltung des Verstandes auffordert, macht ein Beitrag von Ulf Poschardt in der Welt am Sonntag deutlich (BZ, Bild und WamS gehören nicht zufällig zum Springer-Verlag, der neuerdings von jedem Redakteur eine geistige Kapitulationserklärung gegenüber der US-Politik abverlangt):

„Die Vorbildfunktion der Intellektuellen bröckelt, wenn deren stupide anti-amerikanischen, naiv pazifistischen Oden mehr Borniertheit und Weltferne ausdrücken als Solidarität und Kompetenz. Es geht nicht darum, undifferenziert Loblieder auf den Krieg zu singen, sondern die eigene Denkfeinheit souverän zu handhaben: sich klar zu positionieren in der neuen Frontstellung dieser Welt. Die Soldaten der Delta Force riskieren ihr Leben nicht zuletzt dafür, daß Walser, Grass, Strauß und andere weiter besserwissern dürfen. Offiziere und Politiker tragen Verantwortung für unsere Freiheit. Intellektuelle laufen Gefahr, verantwortungslos zu werden, wenn sie glauben, nicht ’Soldaten unserer Zivilisation’ zu sein.“

Ich bin kein „Soldat unserer Zivilisation“, sondern deutscher Journalist. Deshalb halte ich es für richtig, aus der Reihe zu tanzen und kritische Fragen zur US-Politik zu stellen.


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