© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Pervez Musharraf
Nachfahre Mohammeds
von Alexander Röhreke

Pakistan hat sich unter der Drohung, als Terroristenun-terstützer behandelt zu werden, im Afghanistankonflikt für die USA ent­schieden und steht nun vor dem Scherbenhaufen seiner Sicher­heitspolitik der letzten Jahrzehnte. Denn das Ende der vom pakistanischen Geheimdienst gehätschelten Taliban zerstört das Konzept von Afghanistan als strategisches Gla­cis bei einem Krieg mit Indien.

Der Terroranschlag einer in Pakistan beherbergten Terror­gruppe auf das Parlament von Srinagar mit 40 Toten, hat der muslimische chief minister von Jammu und Kaschmir nach indischen Vergeltungsschlägen rufen lassen. Seit der Be­schießung pakistanischer Armee­posten am 15. Oktober eskaliert der Kaschmir­konflikt wieder. Der Mann, der im Mittelpunkt dieser rasanten Entwicklungen steht und der die riskante Wende der pakistanischen Sicherheitspolitik vollzog, um - wie er selbst sagte - die staatliche Existenz Pakistans zu retten, ist Pervez Musharraf, geboren 1943 in Neu- Delhi als Sproß einer sich auf den Propheten Mohammed zurückführenden Familie, die 1947 während der blutigen Bürgerkriegswirren nach Karatschi floh.

Die Mohajir, wie die Einwanderer genannt werden, sind bis heute eine einflußreiche Gruppe im Vielvölkerstaat Pakistan. Sie sehen sich als Bewahrer der Muslimliga-Tradition des Staatsgründers Jinnah. Musharraf, der seine Jugend als Diplomatensohn im Ausland verbrachte, trat 1961 in die pakistanische Armee als Artillerist ein. Im Krieg mit Indien von 1965 wurde Musharraf für Tapferkeit ausge­zeichnet. Nach dem Krieg von 1971, in dem er eine Spezialeinheit befehligte, wurde er nach England zur Ausbildung geschickt.

Von da an ging es steil aufwärts in seiner Karriere, bis er im Oktober 1998 vom damaligen Premier Nawaz Sharif zum Stabschef ernannt wurde. Musharraf hat die Khargil-Offensive vom Mai 1999 - ein Jahr nach den Atomtests Indiens und Pakistans - zu verantworten, wobei es fast wieder zum Krieg gekommen wäre. Von den USA unter Druck gesetzt, befahl Sharif den Rückzug. Musharraf setzte die erfolglose und korrupte Sharif-Regierung im Oktober 1999 ab und machte sich im Juni 2001 zum Präsidenten - kurz vor seiner am Kaschmirproblem gescheiterten Indienreise.

Musharraf ist wohl lange vor dem Ausbruch des jetzigen Kriegs in Afghanistan zu der Einsicht gelangt, daß der Kaschmirkonflikt Pakistan ruiniert. Äußerlich, weil er Pakistan diplomatisch isoliert und alle Ressourcen für ein Wettrüsten auffrißt, das es gegen das wirtschaftlich starke Indien nicht gewinnen kann. Innerlich, weil die Instrumentalisierung des Islam im Kampf für den Anschluß des indischen Teils von Kaschmir und die Züchtung eines islamistischen Gotteskriegertums zwischen Hindukusch und Indus Pakistan zu „talibanisieren“ begonnen hat. Doch wird es Musharraf schwer haben mit einer Abkehr von dem Traum eines pakistanischen Kaschmir in einem Land, dessen Name politisches Programm ist, steht doch seit 1933 das K im Kunstwort Pakistan für Kaschmir.


 
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