© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Erfolgreichste Boygroup
Die Neue Frankfurter Schule
Werner Olles

Anläßlich des vierzigsten Geburtstags der Neuen Frankfurter Schule im Oktober 2001 kommt Oliver Maria Schmitts respektlose Würdigung dieser „schärfsten Kritiker der Elche“ wie gerufen. Als produktivste Humorinstitution und „Deutschlands erfolgreichste Boygroup“ haben ihre Mitglieder knapp 250 Bücher veröffentlicht, mehr als 60.000 Seiten mit Millionen Pointen, Scherzen und Witzen. Kultromane sind darunter wie Eckhard Henscheids „Maria Schnee“, Gedichte, Theaterstücke, Satiren, selbst Kinofilme wie die berühmt-berüchtigte „Otto“-Serie. Nebenbei gründeten sie Zeitschriften wie Pardon und Titanic, malen Bilder und zeichnen Cartoons.

Die Neue Frankfurter Schule (NFS), das sind F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, der bereits lobend erwähnte Eckhard Henscheid, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter. Als Chefredakteur des Satiremagazins Titanic gehörte auch der Autor Oliver Maria Schmitt lange Jahre zu diesem offenbar unschlagbaren Team. Grund genug für eine bild- und textreiche Würdigung der Herren, denen eine(s) allerdings leider fehlt: eine Dame nämlich. Ob dies daran liegt, daß das weibliche Geschlecht nun keinen oder nur eine andere Art von Humor hat, fragen sich auch die Herren der NFS und kommen - nach einem längeren herrschaftsfreien Diskurs, versteht sich - zu der Überzeugung, daß Frauen generell keinen Humor haben.

Mit dem Humor ist es hierzulande sowieso so eine Sache, und Henscheid, selbst oft genug Opfer humorloser Kritiker, beklagt dann auch vergeblich die „tendenziell totale Hilf- und Ratlosigkeit um den Begriffskreis von Humor und Satire“. Immerhin ging im Oktober 1961 die Nullnummer von Pardon in Umlauf, die dann knapp ein Jahr danach auch als „deutsche satirische Monatzeitschrift“ erschien. 1972 bahnte sich die Zusammenarbeit mit dem Komiker Otto Waalkes an, und Henscheids erster Band der „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ mit dem wegweisenden Titel „Die Vollidioten“ erschien als Privatdruckausgabe.

Ende 1979 lief die Titanic vom Stapel, drei Jahre später stellte das inzwischen legendäre Pardon sein Erscheinen ein. 1985 wurde „Otto - der Film“ mit dreizehn Millionen Zuschauern der erfolgreichste deutsche Nachkriegsfilm. 1995 fuhr die Titanic-Mannschaft zum Deutsch-Albanischen Satiregipfel nach Tirana, 1999 zum 1. Deutsch-Vietnamesischen Satiregipfel nach Hanoi. Vorläufig letzter Höhepunkt dieser deutschen Humorgeschichte ist die im Oktober 2001 im „Caricatura“-Museum für Komische Kunst in Frankfurt eröffnete Ausstellung zum 40jährigen Bestehen der NFS. Nichts wie hin!

Oliver Maria Schmitt: Die schärfsten Kritiker der Elche. Die Neue Frankfurter Schule in Wort, Strich und Bild. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001, 255 Seiten, geb., 29,12 Mark


 
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