© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Kleine Gruppen mit großen Zielen
Berlin: Zahlreiche Kleinparteien gehen an den Start / Kaum Chancen auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus oder die Bezirksparlamente
Christian Anders

Zur Wahl des Berliner Abgeordneten hauses am 21. Oktober treten 14 Parteien an - unter ihnen auch diverse Kleinparteien. Die Republikaner möchten mit ihrem Programm Überzeugungswähler und nicht reine Protestwähler anziehen. Der problematischen Zukunft einer in Auflösung befindlichen deutschen Gesellschaft könne nur durch einen gezielten politischen Kurswechsel begegnet werden, heißt es da. Für Berlin fordert die Partei ein entschlossenes Vorgehen gegen den Sozialmißbrauch, den sich das Land angesichts sich verschlechternden Bildungsniveaus und der zunehmenden Arbeitslosigkeit nicht leisten kann. Zudem spielten auch in Berlin die Themen Zuwanderung und Kriminalität eine unbestreitbare Rolle. Was unter „Weltoffenheit und Toleranz“ verkauft werde, geht für die Republikaner einher mit einem Ausverkauf der eigenen Geschichte, Kultur und damit einem Raub an der Zukunft des eigenen Volkes.

Kürzlich bot der Deutschlandfunk an einem Donnerstagabend der NPD ein bemerkenswert breites Forum: Der Sender dokumentierte den NPD-Wahlkampf, der nach den Anschlägen in Amerika und dem Schill-Erfolg in Hamburg bewußt ganz im Zeichen der eigenen Vorstellungen von Recht und Ordnung steht. Die Ausstrahlung einer Wahlkampfsendung, die unter anderem den brennenden Fernsehturm nach einem Angriff von Terroristen zeigte, lehnte der SFB jedoch ab, ein Gericht bestätigte die Ablehnung in erster Instanz.

Im linken Spektrum will die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Ex-SED-Funktionären und Jungkommunisten eine neue Heimat bieten. So verwundert es nicht, daß unter deren Kandidaten ein Gewerkschafter, Dieter Ilius, im „Zentralkommitee der MLPD“ vertreten ist. Ute Greiner trat aus der PDS aus, da diese ihr zu „liberal“ wurde. Margarete Sühlo, 35, setzt sich für die „Befreiung der Frau“ ein und Christa Wolfer, Lagerarbeiterin bei Siemens, kämpft für den wahren Sozialismus, indem sie sich gegen die Einführung eines neuen Schichtmodells einsetzt. Denn „diejenigen, die Werte schaffen, sollen auch darüber verfügen“: Den „Volkseigenen Betrieb“ im Visier, verlangt die MLPD ein sofortiges „Wahlverbot“ für alle Rechtsparteien.

Ebenfalls auf Stimmenfang geht die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Die BRD-Kommunisten bringen es auf den Punkt: Wer schon in der PDS das „Gespenst des Kommunismus“ heraufbeschwöre, dem wird die DKP erst recht ein Feindbild liefern „an dem man sich abarbeiten“ könne. Die DKP-Spitzenkandidatin Nina Hager schwelgt in DDR-Erinnerungen über „sichere Studienplätze“ und „soziale Gerechtigkeit“. Lothar Nätebusch meint, daß den Armen nur das gegeben werden kann, was man zuvor den Reichen nimmt.

Die 1992 gegründete Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo), die angeblich mit der Demokratischen Partei in den USA kooperiert, plädiert für eine Erneuerung der Weltwirtschaft durch grenzenüberschreitende Zusammenarbeit. So schätzt Büso-Spitzenkandidatin Helga Zepp-LaRouche, daß der Aufbau einer „eurasischen Landbrücke“ - eine Milliardeninvestition zur Schaffung einer modernen Variante der „Seidenstraße“ in Form modernster Infrastruktur - den besten Weg zur Vollbeschäftigung im eigenen Land darstelle. Daneben befürwortet die Bewegung den sofortigen Wiedereinstieg in die Kernenergie.

Die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) fällt es sichtlich schwer, neben dem Umweltschutz anderes anzusprechen als die durch Profitgier bedrohten Naturschutzgebiete in Brandenburg. Mit Uwe Dolatal schlägt die Partei einen Wirtschaftskriminalisten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters vor und stellt sich dem Wahlvolk damit als „Anti-Filz-Partei“ vor. Auf ihren Internetseiten warnt die ÖDP - zu deren Mitbegründern Baldur Springmann gehörte - davor, aus Protest „braune Hetzer und Menschenfeinde“ zu wählen.

Die „Statt Partei der Unabhängigen“ wirbt auch in Berlin, nach ihrem eher mageren Abschneiden in Hamburg, für eine bürgernahe und effiziente Politik. Die Bürger sind aufgerufen, durch ein Mehr an Eigeninitiative für eine Rückkehr der Demokratie zu kämpfen. Unter den Forderungen der Unabhängigen findet sich neben einem Nulltarif im Nahverkehrswesen, konsequenter Privatisierung auch der Wunsch nach einem Berlin als Vorzeigestadt Europas. Den Spitzenkandidaten Anette Ahme, Marius Minke und Andreas Hagenkötter bleibt bei solch hochgesteckten Zielen noch viel Arbeit zu leisten.

Die Grauen treten für die gegenseitige Erfüllung des Generationenvertrages ein. Unter dem Schlagwort „Heute wir, morgen ihr“, liegt ihnen neben sicheren Renten auch die Zukunft der deutschen Jugend am Herzen. Daß ihr Wahlauftritt die Jugend nicht mitzureißen vermag, liegt wohl auch daran, daß mit der „bedrohten Zukunft unserer Kinder“ in der heutigen Bundeshauptstadt keine Stimmen mehr zu gewinnen sind.


 
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