© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001


PRO&CONTRA
Urheberrecht reformieren?
Adolf Dietz / Renate Stahl

Was sind die Kernelemente dessen, was die Urhe ber fordern und was der inzwischen dem Bundestag vorliegende Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ zu geben bereit wäre? Es geht um die Verankerung des Anspruchs auf angemessene Vergütung der Urheber für jeden Fall der Werknutzung. Daß schon ein solcher gesetzlich verankerter Vergütungsanspruch von der Verwerterseite bekämpft wird, zeigt deutlich, daß die naturrechtlich, menschenrechtlich und verfassungsrechtlich begründete Rechtsposition der Urheber von der Praxis nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wird.

Gerade die von der Europäischen Gemeinschaft verabschiedete Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft betont in den präambelhaften Erwägungsgründen ausdrücklich, daß die Urheber und ausübenden Künstler, wenn sie weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten müssen.

Die bayerische Verfassung postuliert in Artikel 162, daß die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, Erfinder und Künstler den Schutz und die Obsorge des Staates genießen; der Gesetzgeber darf sich also von Verfassungs wegen seiner sozialpolitischen und kulturpolitischen Verantwortung für die Kreativen nicht entziehen.

Insgesamt soll bewirkt werden, daß auch die breite Masse der Kreativen in allen Bereichen, die nicht über die Verhandlungsposition von Bestsellerautoren und Stars verfügen, eine gesetzliche Mindestsicherung für den Fall erfährt, daß ihre Werke und Leistungen genutzt werden.

Dies ergibt sich aus dem Kulturstaats- und dem Sozialstaatsprinzip.

 

Prof. Dr. Dr. hc. Adolf Dietz ist Abteilungsleiter im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München.

 

 

Der Bund Deutscher Schriftsteller lehnt die Ände rung des Urheberrechts ab, weil die beabsichtigte gesetzliche Absicherung der Autoren dazu führt, daß insbesondere neue Autoren, die von unserem Verband gefördert werden, für die Verlage ein langfristig kaum einzuschätzendes Risiko darstellen.

Wenn, wie geplant, die Autoren (das sind die Urheber) jederzeit nachträglich „angemessene“ Nachforderungen an ihren Vertragspartner stellen können, dann bedeutet dies Rechtsunsicherheit. Die Verlagsunternehmen müssen Risiken minimieren und werden daher künftig noch stärker auf ausländische Autoren setzen - zum Schaden der deutschen, insbesondere der neuen Literatur. Der Gesetzgeber wird das Gegenteil der beabsichtigten Stärkung der Urheber erreichen.

Die bisherigen Gesetzesbestimmungen reichen aus. Das zeigt die Praxis des Verlagsbuchhandels und die Lebendigkeit der Rechtsprechung, die Einzelfälle bereits heute nach Sittlichkeit und damit im weiteren Sinn auch nach Angemessenheit beurteilt.

Nicht lebensnotwendige Industriegüter wie das Buch lassen sich nicht in Tarife pressen (die Gesetzesänderung soll den Boden bereiten für Tarifierungen zwischen den Verwerterverbänden) - oder nur zum Schaden der kulturellen Vielfalt. Wer ein Buch schreibt, kann nicht erwarten, bei unerwartet hohem Gewinn zusätzliche Nachschläge fordern zu dürfen, wenn er bei unerwarteten Flops nicht selbst Kosten tragen will. Die Novelle des Gesetzgebers schädigt das sensible und derzeit funktionierende Gleichgewicht zwischen Autoren und Verlagen. Wer ein Buch schreibt, weiß, daß er vom Verlag nicht fest angestellt werden kann. Auch wenn dies der Wunschtraum mancher Politiker und Interessenvertreter ist. Die Verlage werden sich zu helfen wissen - zum Schaden unserer literarischen Kultur.

 

Renate Stahl ist Präsidentin des Bundes Deutscher Schriftsteller (BDS) in Dietzenbach bei Frankfurt am Main.


 
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