© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001

 
BLICK NACH OSTEN
Triumphale Heimkehr
Carl Gustaf Ströhm

Der Deutschland-Besuch Wladimir Putins mitsamt seiner Rede hat zweierlei bewiesen: Erstens, wie emotionsgeladen das deutsche Verhältnis zu Rußland ist (während man gleiches vom russischen Verhältnis zu den Deutschen nicht so sagen kann). Zweitens zeigt sich - abgesehen von einer quer durch die Parteien reichenden Rußland-Nostalgie - eine problematische deutsche Eigenschaft: von allen geliebt werden zu wollen.

Ein Mensch von einem anderen Stern könnte in diesen Tagen folgendes Bild gewinnen: Erst versichert der Bundeskanzler den USA „uneingeschränkte“ Solidarität. Zuvor läßt der grüne „Joschka“ Fischer seinen Amtskollegen aus Polen, Wladimir Bartoszewski, die Hauptrede bei einer Konferenz deutscher Botschafter halten - und kaum war der Gast von der Weichsel, abgereist, da warf sich Schröder dem Präsidenten Rußlands in die Arme, indem er u.a. mitteilte, Deutschland werde von nun an den Tschetschenien-Konflikt „anders“ bewerten. Das kann doch nur heißen, daß Berlin sich den russischen Standpunkt in der Tschetschenien-Frage zu eigen macht.

Selbst wenn man die humanitäre Katastrophe beiseite läßt, die sich seit Jahren in Tschetschenien abspielt (samt Zehntausenden von getöteten Zivilisten), drängt sich die Frage auf: Wäre es nicht klüger, sich weniger weit aus dem Fenster zu lehnen? Die Deutschen hatten bisher ein gewisses standing in der islamischen Welt. Ist es im deutschen Interesse, sich gewissermaßen von zwei Seiten her - der amerikanischen wie der russischen - mit dem Islam anzulegen? Man möchte dem Kanzler einen Ausspruch seines gescheiten Namensvetters, des CDU-Außenministers Gerhard Schröder, ins Gedächtnis rufen: „Wir dürfen nicht heute die Teller zerschlagen, von denen wir morgen essen müssen.“

Natürlich ist Rußland für die Deutschen ein wichtiger und interessanter Partner - aber es wäre verhängnisvoll, wollte man sich den Russen gewissermaßen in blinder Verliebtheit nähern. Zu den wohl seltsamsten Episoden seines Besuchs zählte Putins „Heimkehr“ nach Dresden, wo er zu DDR-Zeiten Resident des sowjetischen Geheimdienstes KGB war. Es ist kein anderer Fall bekannt, bei dem ein ehemaliger Agent als gefeierter Staatsgast in seine „Residentur“ zurückkehren konnte.

Wenn er dem Bundestag von der russischen Demokratie vorschwärmte, sollte man sich doch daran erinnern, daß derselbe Putin einen ausgesprochen autoritären Regierungsstil pflegt. Zu den besonderen „Gesten“ Putins gehört auch, daß er an der berüchtigten Moskauer Lubjanka eine Gedenktafel nicht etwa für die Opfer, sondern für Felix Dserschinski - den Tscheka-Gründer und Organisator des „Roter Terrors“ - anbringen ließ. Ganz nebenbei brachte Putin im Kreml einen Trinkspruch auf Stalins Geburtstag aus. Daß er die von Jelzin abgeschaffte Stalin-Hymne (wenn auch mit anderem Text) wieder zur Nationalhymne erhob, ist von makabrer Symbolik.

Schließlich - von der Unnormalität deutsch-russischer Beziehungen zeugt auch die Tatsache, daß er mit Schröder einen Kranz vor dem sowjetischen Panzer-Ehrenmal am Tiergarten niederlegte. Dieses monströse Monument ist ein Denkmal der tiefen Demütigung der Deutschen durch die Rote Armee 1945. Alle ehemaligen Satelliten Moskaus - Polen, Tschechen, Ungarn - haben solches längst aus ihren Städten entfernt - nur die Deutschen nicht. Vielleicht hätte Putin statt dessen einen Kranz für die Maueropfer niederlegen sollen. Warten wir also auf einen künftigen russischen Staatsgast ohne KGB-Vergangenheit..


 
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