© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001

 
Rückendeckung vom Auswärtigen Amt
Hamburg: Der Gesundheitsminister der Taliban konnte sich auf Hilfe in Deutschland verlassen / Kirchliches Vertrauen missbraucht
Steffen Königer

Nicht genug, daß einige der sogenannten „Schläfer“ die Anschläge vom 11. September in New York und Washington in der Hansestadt vorbereiteten, die evangelische Kirche in Hamburg-Billstedt scheint ihnen - dank des Auswärtigen Amtes - auch noch unwissentlich und unverschuldet bei Propagandaaktionen innerhalb Deutschlands geholfen zu haben. Bereits im Januar dieses Jahres ist der amtierende Gesundheitsminister der Taliban, Mullah Muhammed Abbas, auf Rundreise durch Deutschland gewesen. So soll er neben Hamburg auch Frankfurt am Main, Köln und Stuttgart besucht haben.

Dies hätte er nach einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gar nicht tun können. In der Resolution Nr. 1267 vom 15. Oktober 1999 wurde die Verhängung eines Luftverkehrs- und Finanzembargos gegen die afghanischen Taliban beschlossen. Dort heißt es, daß zur Durchsetzung der sofortigen Auslieferung Osama bin Ladens an die USA, „alle Staaten allen … bezeichneten Luftfahrzeugen, die sich im Eigentum der Taliban befinden oder von diesen oder in deren Namen angemietet oder betrieben werden, die Erlaubnis zum Start oder zur Landung in ihrem Hoheitsgebiet verweigern werden“. Dies hatte Abbas erfolgreich umgangen, indem er auf den nächstfolgenden Passus abhob „… es sei denn, der betreffende Flug wurde aufgrund von humanitären Erwägungen, einschließlich religiöser Verpflichtungen … von dem Ausschuß vorab genehmigt“. Die deutsche Botschaft in Pakistan erteilte ihm eine Einreisegenehmigung - ohne Rücksprache mit dem Ausschuß des Sicherheitsrates zu halten. Der Gesundheitsminister wird zwar neben dem Außenminister der Taliban, Abdul Wakil Muttawakil, als moderat angesehen; es ist aber ernsthaft in Zweifel zu ziehen, daß von Abbas nur Spenden zu humanitäten Zwecken gesammelt worden sind. Im Orginalton wurde er in den Tagesthemen vom vergangenen Donnerstag bei seiner Rede zitiert: „Manche Menschen sagen, Osama bin Laden wird Unglück über Afghanistan bringen. Wir Muslime aber sagen, er hat die Ehre der Afghanen gerettet.“ Der Ausschnitt wurde heimlich mit einer Videokamera aufgezeichnet. Bezeichnend für die Arbeit der Sicherheitsorgane ist, daß der Hinweis für den Verfassungsschutz, der bei dieser Aktion lediglich die Autokennzeichen der Teilnehmer notierte, nicht vom Auswärtigem Amt kam, sondern von einem Informanten unter den Exil-Afghanen - 120 Minuten vor der Veranstaltung.

Nach Angaben des Hamburger Abendblattes wußte schon Tage vor der Veranstaltung des Taliban-Ministers der Dienststellenleiter der Ausländerbeauftragten des Senats, Horst Tietjens, vom Besuch des Mullahs in Hamburg. Ein afghanischer Teppichhändler hatte ihn unterrichtet. Doch Tietjens informierte den Verfassungsschutz nicht. Statt dessen bot er den Afghanen seine Unterstützung an, versuchte gar, für den Taliban-Minister einen Termin beim Auswärtigen Amt zu vereinbaren, laut der Zeitung hätte Tietjens jedoch für nähere Angaben am Wochenende nicht zur Verfügung gestanden.

Die lutherische Kreuzkirche im Hamburger Stadtteil Billstedt vermietete ihren Saal an eine „vertrauenswürdige Person für eine private Feier“, teilte Pastor Bernd Berger auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. Der Mann sei einem Mitarbeiter bekannt gewesen, hätte eine Kaution hinterlegt und die Saalmiete entrichtet. Wer dort tatsächlich auftrat, hätte die Kirchgemeinde erst später erfahren. Politische Veranstaltungen in Kirchenräumen lehnt man in jedem Fall ab, betonte Berger. Den Bericht der Tagesthemen, wonach die Veranstalter Kreuze abgehängt und christliche Symbole zugedeckt haben sollen, wies Berger jedoch zurück. „Jemand aus der Gemeinde schenkte uns ein Kruzifix, das im Fenster stand. Dort wurden lediglich die Vorhänge zugezogen“, so der Pastor gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Wie Bischöfin Maria Jepsen verlautbaren ließ, sei es üblich in Hamburg, kirchliche Räume an religiöse Gruppen zu vermieten: „Im ökumenischen und interreligiösen Miteinander helfen wir uns gegenseitig.“ Dies wurde von der Welt am Sonntag als „grenzenlose Toleranz“ kritisiert, die Jepsen nun mit ihrem Engagement für undifferenzierte Ökumene und Multikulti-Gesellschaft geschaffen habe. Das lade diejenigen zum Mißbrauch ein, denen Toleranz fremd sei.

Die Kirche wäre nicht in diese bedauerliche Situation gekommen, wenn sich das Auswärtige Amt an die Richtlinien der UN-Resolution gehalten oder zumindest den Verfassungsschutz rechtzeitig von dem Besuch des talibanischen Gesundheitsminister Mullah Muhammed Abbas in Kenntnis gesetzt hätte.


 
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