© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/01 05. Oktober 2001

 
PRO&CONTRA
Eine Steuer für die EU-Osterweiterung einführen?
Herbert Bösch / Bernd Posselt

Bereits im April 1970 wurde in Luxemburg beschlossen, die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel zu ersetzen, um den EU-Haushalt zu finanzieren. Bis heute konnte dieses Vorhaben nicht realisiert werden. Die letzte Gelegenheit dazu bot die Agenda 2000. Sie wurde nicht genutzt. Statt dessen gibt es einen Beschluß, der für eine noch höhere Komplexität bei der Finanzierung sorgt. Wer außer einigen Experten in den europäischen Institutionen weiß schon, wie sich die Einnahmen der Europäischen Union zusammensetzen?

Durch die mangelnde Transparenz wird es dem Bürger unmöglich gemacht, seinen Beitrag zum EU-Haushalt zu berechnen. Der EU-Bürger muß sich auf Aussagen verlassen, „Nettoempfänger“ oder „Nettozahler“ zu sein. Die Frage „Was kostet mich die EU?“ kann nur gelöst werden, wenn die Vielzahl an Einnahmearten und Sonderregelungen abgeschafft und durch eine EU-Steuer ersetzt wird.

Verschiedene Vorschläge dafür gibt es schon: Eine eigene Mehrwertsteuer, ein Teil der Einkommensteuer, eine Energie-Steuer, eine Verbrauchsteuer auf Tabak, Alkohol und Mineralöl oder eine Tobin-Tax (Steuer auf spekulative Finanztransaktionen) könnten den bisherigen Einnahmendschungel ablösen.

Warum haben viele Bürger Angst vor einer EU-Steuer? Sie befürchten zusätzliches Geld ins EU-Budget einzahlen zu müssen. Allerdings dient sie lediglich als Ersatz für das bisherige, kaum nachvollziehbare Finanzierungssystem. Konsequenz einer EU-Steuer: Die europäischen Institutionen müßten sich nicht mehr vor den Regierungen (und deren Beamten) der Mitgliedstaaten für die Mittelverwendung rechtfertigen, sondern vor den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Etwas geht aber sicher nicht: sich für ein stärkeres Europa einsetzen, gleichzeitig (zu Recht) das Demokratiedefizit in der EU beklagen und zur selben Zeit das intransparente Beitragssystem des EU-Haushalts verteidigen!

 

Herbert Bösch ist SPÖ-Europaabgeordneter und Vizevorsitzender des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament.

 

 

Ohne Tschechen, Ungarn, Polen, Slowaken, Balten oder Slowenen bliebe die EU eine „westeuropäische Union“. Ein Bündnis gleichen Namens ist gerade sang- und klanglos in der EU aufgegangen, weil es nicht mehr in die Welt nach 1989 paßt. So selbstverständlich, wie Deutschland wiedervereinigt wurde, muß auch das jahrzehntelang geteilte Gesamteuropa vereinigt werden. Papst Johannes Paul II. hat diesen Vorgang mit Recht „die Europäisierung Europas“ genannt.

Jedes europäische Volk, das die Beitrittsvoraussetzungen erfüllt - Übernahme des Gemeinschaftsrechts und Einhaltung der Kopenhagener Kriterien von 1993 -, muß das Recht haben, der Gemeinschaft beizutreten, wenn es will. Rußland, die Türkei und die Maghreb-Länder sind teileuropäische Staaten, die nicht voll integriert, aber eng angebunden werden können und eine wichtige Brückenfunktion zwischen Europäern, Afrikanern und Asiaten ausüben. Das integrierbare Europa hat Grenzen, und dies gilt natürlich auch für die EU-Finanzen. Experten bezweifeln, ob die sogenannte „finanzielle Vorausschau“ bis 2006, die 1999 auf dem Berliner Gipfel beschlossen wurde, tatsächlich ausreicht, um zehn der zwölf Kandidatenländer wie erwogen 2004/2005 aufzunehmen. Nach 2006 droht die Finanzierung vollends zum Abenteuer zu werden.

Dies heißt aber: sparen und die zu zentralistische Regional-, Struktur- und Agrarpolitik regionalisieren! Die heutigen starren Strukturen sind nicht erweiterungsfähig. Eine EU-Steuer würde nur diesen heilsamen Reformdruck beseitigen und Begehrlichkeiten wecken. Deutschland würde noch mehr belastet, die EU-Steuer wäre - wie die Sektsteuer zur Schaffung der deutschen Kriegsmarine - niemals mehr abzuschaffen, und die Akzeptanz der Osterweiterung wie der europäischen Einigung würde gefährdet. Deshalb: Hände weg von der EU-Steuer!

 

Bernd Posselt ist CSU-Europaabgeordneter und Präsident der Paneuropa-Union Deutschland.


 
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