© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/01 21. September 2001

 
Sei klüger als dein Feind
von Franz Alt

Wenn Krieg vorbereitet (geführt) wird, ist die Frage nach dem Frieden von existenzieller Bedeutung. Wir leben im Atomzeitalter! Ein Krieg kann das Ende der Menschheit bedeuten. Welche Vision vom Frieden kann jetzt im Angesicht der zerstörten Sicherheits-Utopie in den USA bestehen?

In dieser dramatischen Situation nach den furchtbaren Terroranschlägen in New York und Washington braucht ein US-Präsident primär Besonnenheit. Er hat eine einmalige Herausforderung zu meistern. Sie heißt: keine Rache, die den Prinzipien der Gerechtigkeit widerspricht.

Einerseits: Schutz vor weiterem Terrorismus und andererseits: keine unbedachte Eskalation der Gewalt. Kann George W. Bush diese Aufgabe bewältigen? Vom Präsidenten hängt es jetzt hauptsächlich ab, ob die USA in ihrer Trauer wüten oder in ihrer Wut trauern werden, wie Andrea Böhm in der Zeit schrieb.

Als Gouverneur von Texas hat der 43. US-Präsident die höchste Zahl von Todesstrafen aller US-Bundesstaaten gebilligt. Er befürwortet die Todesstrafe noch heute. Das heißt: Er begrüßt, daß Menschen selber sich zu Herren über Leben und Tod machen. Andererseits hat George W. Bush im Wahlkampf beinahe sentimental davon gesprochen, daß er Jesus seine Befreiung von einer früheren Alkohol-Abhängigkeit verdanke. Die „Anonymen Alkoholiker“ weisen jedoch selbstkritisch darauf hin, daß es von dieser Krankheit keine wirkliche Befreiung gibt, sondern nur ein lebenslanges Bemühen um Befreiung. Kann dieser Präsident Racheaktionen hinreichend widerstehen? Wird er seine verständlichen Rachegefühle so verarbeiten können, daß daraus eine konstruktive Friedenspolitik, ja sogar eine neue Kultur des Friedens erwachsen kann? Eine Chance auch inmitten dieser schrecklichen Krise! Ob sich George W. Bush auch jetzt mehr als nur in sentimentalen Anwandlungen und Lippenbekenntnissen Jesus von Nazareth und seiner Bergpredigt zuwendet? Dort würde er die Magna Charta einer Friedensarbeit finden, die auch in schwierigsten Situationen hilfreich sein kann. Von Revanche oder Rache ist in der Bergpredigt allerdings so wenig die Rede wie im internationalen Völkerrecht.

Nach allem, was die US-Bürger am 11. September erleiden mußten, ist es für George W. Bush die wichtigste und schwierigste Aufgabe, sein Volk zu beruhigen. Das Moskauer Desaster in Tschetschenien könnte Washington lehren, wohin blindes Drauflosschlagen und schiere Gewaltpolitik führen können. Die Vereinigten Staaten von Amerika fühlten sich mit Hilfe von Atombomben und Atomraketen, Flugzeugträgern und dem größten Militäretat der Welt nahezu unverwundbar. Das Land hat soeben erst einen Präsidenten gewählt, der noch mehr Sicherheit sogar mit Hilfe der Militarisierung des Weltraums versprach. Und jetzt diese Katastrophe! Dieser Schlag in ein fast absolutes Sicherheitsempfinden! Dieser unsägliche und durch nichts zu rechtfertigende Terrorakt muß gerade in den USA zu einem von außen nur schwer verständlichen Trauma führen. Die kollektive Seele der USA ist tief verletzt.

Es ist nur realistisch, wenn der US-Schriftsteller Paul Auster jetzt „zweifellos schreckliche Folgen“ eines Gegenschlags mit „noch mehr Gewalt, noch mehr Toten und mehr Schmerz für alle“ voraussagt. In solchen Zeiten fallen Reaktionen aus Vernunft, Besonnenheit und Verantwortung schwer. Das wäre in einer schweren persönlichen Krise nicht anders. Was aber ist jetzt zu tun? Gilt das alttestamentarische „Auge um Auge - Zahn um Zahn“ oder das jesuanische „Überwindet das Böse durch das Gute“? Oder einfach gefragt: Ist in Kriegs- und Krisenzeiten das Gebot aller Religionen und Weisheitslehren aller Zeiten „Du sollst nicht töten“ außer Kraft gesetzt? Solche Fragen sind keine theologischen Schattenspiele und erst recht keine politische Folklore. George W. Bush soll einmal gesagt haben, er frage sich oft: „Was würde Jesus dazu sagen?“ Ja, was würde er wohl jetzt sagen? Das läßt sich nicht nur nachlesen, sondern auch nachempfinden. Die Frage aller Fragen bleibt freilich: Wie ernst sind solche religiösen Aussagen wirklich gemeint? Tragen sie im Ernstfall? Der Ernstfall ist jetzt wirklich da. Europäische Intellektuelle können weder den Nahost-Konflikt noch die Motive von Osama bin Laden noch die Empfindungen von George W. Bush verstehen, wenn sie nicht endlich einsehen, daß Religion - auch wenn wir sie als noch so fundamentalistisch und mystisch-irrational abtun - in anderen Weltgegenden eine weit größere Rolle spielt als in Europa.

„Heilige“ Kriege - furchtbar genug - gibt es nicht nur für fundamentalistisch islamische und zionistische Kreise, sondern auch in fundamentalistisch christlich-amerikanischen Kreisen. Anders ist es nicht zu verstehen, daß der amerikanische Kongreß George W. Bush „zum Krieg ermächtigt“. Auf die jetzt befürchtete Rache reagieren fundamentalistische Taliban- Sprecher wiederum mit Racheschwüren. Dies war vorhersehbar. Bush will „mit allen Mitteln zurückschlagen“. Und ein Taliban-Sprecher in Kabul sagte: „Wir werden mit anderen Mitteln Rache nehmen, sollte Amerika angreifen.“

Rache, Rache, Rache! Jetzt wollen wieder alle aufrüsten! Haben wir die Uhren um 1.000 Jahre oder nur um 200 Jahre zurückgestellt? Es reicht offenbar nicht, daß 15 Millionen Menschen im Ersten Weltkrieg und 50 Millionen im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden. Dresden und Hiroshima, Auschwitz und Nagasaki können heute leicht übertroffen werden. Die Atommächte haben noch immer so viel Vernichtungspotential, daß die gesamte Menschheit etwa dreißigmal ausgerottet werden kann.

Nicht nur, daß sich die Atomstaaten - allen voran die USA unter Präsident Bush - weigern, selber atomar abzurüsten; sie experimentieren weiterhin mit biologischen Waffen und glauben, nach der Militarisierung der ganzen Welt jetzt auch noch den „Weltraum“ militarisieren zu müssen.

Osama bin Laden und seine Anhänger faseln vom „Heiligen Krieg“. Das ist zweifellos geisteskrank. Was aber ist George Bushs „Kreuzzugs“-Gerede? Nur ein lapsus linguae? Wir, die „zivilisierte Welt“ - wie es in diesen Tagen immer wieder auch aus deutschem Politikermund heißt. Der Führer dieser zivilisierten Welt, dem sich jetzt alle westlichen Politiker glauben unterordnen zu müssen, hat angekündigt, einen „monumentalen Krieg gegen das Böse“ führen zu wollen. Wir, die Guten - dort die Feinde, die Bösen! Wann je war es vernünftig, hilfreich oder auch nur realistisch, die Welt in Gut und Böse, in schwarze und weiße Schafe, einteilen zu wollen? Wann je konnte Krieg mit Krieg oder Terror mit Terror besiegt werden? Wann je hätte Gewalt etwas anderes zu Folge gehabt als neue Gewalt? In Japan gibt es „Rote Zellen“ - sie propagieren heute noch „Rache für Hiroshima und Nagasaki“.

Erst rüstet die „zivilisierte Welt“ die Taliban mit Waffen aus wie einst den Iraker Saddam Hussein, um heute sowohl die Taliban-Regierung wie auch Saddam Hussein zum Erzfeind und Teufel zu erklären. Was hat diese geisteskranke Politik 200 Jahre nach der Aufklärung mit Vernunft und Verstand und was 2.000 Jahre nach Jesus mit Ethik und Religion zu tun?

Millionen Menschen empfinden die Globalisierung als Amerikanisierung - und diese lehnen sie ab.

Noch vor wenigen Wochen hat George W. Bush der erstaunten Welt erklärt, die USA könnten sich Klimaschutz finanziell nicht leisten. Das sei für die US-Wirtschaft zu teuer. Jetzt aber bewilligt der amerikanische Kongreß - ohne Gegenstimmen - 20 Milliarden Dollar für einen länger anhaltenden Krieg - gegen wen auch immer und mit welchen Mitteln auch immer. Wie demokratisch sind einstimmige Beschlüsse, wenn es um Krieg oder Frieden geht?

Haben wir in der „zivilisierten Welt“ noch die Fantasie, uns vorzustellen, was passieren könnte, wenn die USA und England, Frankreich und Deutschland wenigstens Teile ihrer Militärhaushalte dafür ausgegeben hätten und dafür ausgeben würden, daß auf dieser Welt kein Kind mehr verhungern oder verdursten muß? Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Skandal, daß es auf unserer Erde mehr Sprengstoff als Nahrungsmittel gibt. Zur Zeit irren in Afrika mehr Wasserflüchtlinge als Kriegsflüchtlinge umher - sagt Klaus Töpfer und spricht zu Recht von einer ökologischen Aggression der Reichen gegen die Armen. Wer hört denn heute noch auf diese Hilfeschreie zugunsten der Ärmsten auf unserem geschundenen Planeten? Dabei wissen wir längst, daß es auf dieser Erde nicht zu wenig Wasser, sondern einen falschen Umgang mit Wasser gibt, der korrigierbar wäre mit entsprechenden Mitteln, die heute aber weltweit in Hochrüstung gesteckt werden. Wenn sich dieser Irrsinn jetzt noch verstärkt, wird das Leid von Millionen Menschen noch größer. Und Unsicherheit und Angst nehmen noch mehr zu.

Im Jahr 2000 wurden allein in den armen Ländern Afrikas zweieinhalb Millionen Menschen umgebracht mit Waffen, die in reicheren Ländern produziert worden waren. Wo war die Hilfe, wo auch nur der Aufschrei der „zivilisierten Welt“? Wo ist der politische Wille, Waffenproduktion und Waffenexporte zu verbieten?

Täglich verhungern auf dieser Erde mindestens 100.000 Menschen - wo sind die Sondersendungen im Fernsehen? Wo die Milliarden Dollar Hilfe? Gerechtigkeit heißt: Nur wenn die Armen eine neue Perspektive haben, kann es den Reichen weiter gutgehen. Der Hinweis auf diese Tatsachen hat mit Verständnis für Terroristen natürlich nichts zu tun. Weder Verständnis noch gar Einverständnis, sondern verstehen wollen, um Alternativen zu finden, ist unser Thema.

Die deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder haben auf internationalen Konferenzen feierlich und eindrucksvoll versprochen, Deutschland werde 0,7 Prozent seines Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe in den armen Ländern einsetzen. Im Jahr 2000 waren es 0,28 Prozent, 2001 und 2002 werden es noch weniger sein. Dabei weiß jedes zwölfjährige Schulkind in Deutschland, daß unser materieller Wohlstand auch darauf beruht, daß wir Dritte-Welt-Ländern unverschämt wenig Geld für ihre wertvollen Rohstoffe bezahlen. Darf man an diese Fakten in der „zivilisierten Welt“ noch erinnern, oder ist dieses Erinnern schon Verrat am jetzt zu führenden „monumentalen Krieg“? Die geistigen Stahlhelme, die jetzt aufgesetzt werden, der Kulturkampf gegen das Böse, zu dem jetzt geblasen wird, werden sie unsere Ohren gegenüber den Hilferufen der Armen vollends verstopfen? Keine Atombombe und kein Krieg der Sterne, kein Rachefeldzug und kein „Gegenschlag“ werden helfen, die Ursachen des Terrors zu beseitigen. Im Gegenteil: Er wird wachsen.

Kein Zweifel: Terrorismus muß bekämpft und überwunden werden. Aber wie?

Erstens: Das Ziel der jetzigen Aktionen muß zuallererst sein, herauszufinden, ob Osama bin Laden der große Verbrecher ist. So wie Slobodan Miloseciv muß er sich dann vor einem internationalen Kriegsverbrechergericht verantworten. Massenmörder müssen bestraft werden. Dabei ist die Polizei wichtiger als das Militär.

Zweitens: Die USA haben viel Grund, das Versagen ihrer Polizei und Geheimdienst-Apparate zu analysieren und ihre Dienste zu reorganisieren. Die amerikanische Außenpolitik muß weltweit eine diplomatische Abwehrfront gegen Terrorismus aufbauen. Dabei hat sie globale Unterstützung verdient. Das muß selbstverständlich werden - in Europa und Rußland, in China und Pakistan. Auch wir in Deutschland müssen uns fragen, wie künftig rechtzeitig verhindert werden kann, was in Hamburg und Bochum, in Bonn und Berlin an logistischer Unterstützung für den Terroranschlag in Washington und New York vorbereitet und trainiert wurde. Da hat George Bush senior recht, wenn er sagt: „Das schaffen wir nicht allein.“ In dieser zentralen Frage gilt: volle Solidarität mit den USA.

Drittens: Es gibt Situationen, bei denen man seinen Freunden helfen muß, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich vor Kurzschlußhandlungen zu schützen. Solidarität kann nicht heißen: die Unbesonnenheit unterstützen. Solidarität heißt auch: Hilfe für die Ärmsten.

Nochmal: Wir leben im Atomzeitalter. Nie war Sicherheit global so gefährdet und so zerbrechlich wie heute. Mittel- und langfristig bleibt uns nicht erspart, unsere zentralistischen Strukturen in Politik, Wirtschaft und Energieversorgung zu dezentralisieren.

Gerade weil Terroristen mit einfachsten Mitteln viel erreichen, müssen jetzt weltweit alle 430 Atomkraftwerke weit besser als bisher gegen Angriffe geschützt werden. Langfristig geht das natürlich nur durch kompletten Ausstieg. Ich schreibe das als früherer Befürworter der Atomenergie. Wir müssen in Krisen lernen. Jedes AKW kann zur Geiselnahme eines ganzen Landes führen. Wenn wir uns wirklich schützen wollen, kommen wir um diese schlichte Erkenntnis spätestens jetzt nicht mehr herum. Atomkraftwerke und Erdölversorgung setzen zentralistische Strukturen voraus. Energiegewinnung aus Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Biomasse funktioniert nur in dezentralen, weit weniger anfälligen Strukturen. Das ist neben ihrer Umweltfreundlichkeit und „ewigen“ Reichweite der dritte große Vorteil einer alternativen Energieversorgung.

Die am 11. September entführte Maschine, die bei Pittsburgh abstürzte, befand sich in Reichweite von Camp David - aber auch in Reichweite mehrerer Atomkraftwerke. In Deutschland hätte ein entsprechender Angriff auf die Alt-AKWs Biblis, Stade oder Obrigheim wahrscheinlich einen Super-Gau zufolge - so Experten der Kölner Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Die Auswirkungen wären weit entsetzlicher als die Katastrophe am 11. September. Wiederum der Realpolitiker Klaus Töpfer: „Ein Atomunfall irgendwo auf der Welt ist eine Katastrophe für die ganze Welt.“ Eine regenerative dezentrale Energieversorgung schließt solche Katastrophen von vornherein aus.

Wir brauchen im 21. Jahrhundert eine Politik der Bergpredigt. Die Jesus-Strategie „Liebt Eure Feinde“ meint ja nicht, daß wir uns von Gewalttätern alles gefallen lassen sollten, aber sie meint sehr entschieden: Sei klüger als dein Feind! Auch der ewig mißverstandene Hinweis Jesu in der Bergpredigt: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“, ist nichts für Naive, wie es zunächst scheinen mag. Es könnte nämlich sein, daß wir im Atomzeitalter irgendwann gar keine Wangen zum Hinhalten mehr haben, wenn wir nicht lernen, klüger, rationaler und besonnener zu reagieren, als unsere Feinde agieren. Der Meister aus Nazareth war ein großer Realist, kein Utopist. Seine Visionen einer besseren Welt können heute hilfreich sein. Buddha und Jesus sind und bleiben die Visionäre einer Welt mit mehr Güte, Liebe, Toleranz und Menschenfreundlichkeit.

Der große politische Psychotherapeut aus Nazareth schlägt vor, die Welt nicht mehr in Gute und Böse einzuteilen, sondern das Böse zunächst immer in uns selbst zu suchen und zu überwinden. Die Paranoia der Terroristen kann nur durch Besonnenheit von gewissenhaften Verantwortlichen besiegt werden. Hört auf mit der eigenen Idealisierung - schlägt der Bergprediger vor. Ganz nüchtern definiert Jesus „den Feind“ so: „Dein Feind - er ist wie du.“ Für die meisten Menschen ist dieser realistische Hinweis eine Zumutung. Die Bösen - das sind noch immer die Anderen, die Unzivilisierten zum Beispiel. Das Böse aber in sich selbst zu erkennen und zu akzeptieren, seinen eigenen Schatten zu sehen, das ist die unabdingbare Voraussetzung für eine Kultur des Friedens - heute mehr denn je. Und Schatten gibt es weltweit.

Solange wir meinen, mit gleicher Münze den äußeren Feinden zurückzahlen zu müssen, durchbrechen wir nicht den Teufelskreis der Gewalt. Wir fördern ihn. Und schaden uns damit selbst. Wir machen das Elend noch größer. Soll tatsächlich ausgerechnet das bitterarme Afghanistan, dem die USA einst mit Waffen gegen die sowjetische Besatzung geholfen haben, jetzt dafür leiden, daß eine fundamentalistische Taliban-Regierung einem Massenmörder wie Osama bin Laden Unterschlupf gewährt? Wie vernünftig und wie ethisch wäre eine solche Politik? Es könnte sehr schnell und sehr leicht dazu kommen, daß eine Politik der Rache und der Vergeltung noch viel mörderischer sein wird als das, was man selber erlitten hat. Für die Eskalation einer Krise gibt es ebenso Ursachen und Verantwortliche wie für die jetzt notwendige Deeskalation. Zumindest in den ersten Tagen der Krise hat George W. Bush politisch besonnen gehandelt, indem er militärisch nicht handelte. Der Cowboy aus Texas hat nicht aus der Hüfte geschossen. Zumindest einige Tage hat Amerika mit der ganz neuen Erkenntnis leben müssen: Wir sind sehr mächtig und sehr, sehr ohnmächtig zugleich. Diese Erkenntnis ist politisch nicht weniger schmerzlich als im privaten Leben.

Diese Leiderfahrung könnte helfen auf dem Weg zu einer neuen Politik. Im Nahen Osten ist ein gerechter Ausgleich zwischen Israel und Palästina überfällig. Ohne Nahost-Lösung kein Weltfrieden! Spätestens jetzt im Atomzeitalter werden wir lernen müssen, daß eine neue Politik besonnenen Handelns hilfreicher ist als die alte Politik der Vergeltung. Kriege sind nicht naturbedingt. Auch heute nicht. Frieden bleibt möglich. Allerdings: Frieden ohne mehr Gerechtigkeit wird es nicht geben. Michail Gorbatschow und Nelson Mandela haben gezeigt, wie eine intelligente Politik der Bergpredigt heute aussehen könnte.

 

Dr. Franz Alt, Jahrgang 1938, war von 1972 bis 1992 Chef des SWR-Magazins „Report“. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter „Jesus - der erste neue Mann“(1989) und „Der ökologische Jesus - Vertrauen in die Schöpfung“ (2001). Im Internet ist Franz Alt zu erreichen unter www.sonnenseite.com .


 
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