© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/01 21. September 2001

 
Stehaufmännchen mit großen Ambitionen
CDU Sachsen: Der geschaßte Kronprinz Georg Milbradt gewann in Glauchau die Wahl zum Parteivorsitzenden
Paul Leonhard

Georg Milbradt steht als Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zur Verfügung. Das verkündete der 54jährige kurz nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der sächsischen Union. Auch Biedenkopf schließt nicht aus, daß Milbradt 2004 als Spitzenkandidat für die Landtagswahlen aufgestellt wird.

In der Sachsenlandhalle im westsächsischen Glauchau hat Biedenkopf am 15. September seine bisher schwerste Niederlage in der Rolle des „Übervaters“ der sächsischen CDU einstecken müssen. Mit 58 Prozent der Stimmen sprachen sich die Delegierten des Landesparteitages für den geschaßten Finanzminister und gegen den von „König Kurt“ favorisierten Umweltminister und früheren CDU-Generalsekretär Steffen Flath aus.

Gleichzeitig stimmten sie einem Antrag zu, nach dem ein Sonderparteitag und nicht Biedenkopf selbst der CDU-Landtagsfraktion einen Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen soll, wenn dieser wie geplant Ende 2002 bis Anfang 2003 seinen Rücktritt erklärt.

Die Sachsen-Union ist erwachsen geworden. Seit Glauchau haben die Christdemokraten ihre Sprache wiedergefunden. Aber mit der Wahl Milbradts zu ihrem neuen Vorsitzenden entschieden sie sich auch für einen Mann, den Biedenkopf noch vor wenigen Wochen als „miserablen Politiker“ bezeichnet hatte.

Die innerparteilichen Zwistigkeiten dürften mit Glauchau noch nicht zu Ende sein. Denn auch der Parteivorstand wurde gründlich umgekrempelt. Auf Vorschlag Milbradts wurde der Grimmaer Abgeordnete und Präsident des Landessportbundes, Hermann Winkler, zum neuen Generalsekretär gewählt.

Zum neugewählten Vorstand gehören neben Steffen Flath der Zwickauer Oberbürgermeister Dietmar Vettermann und die Gleichstellungsministerin Christine Weber. Dagegen scheiterten der langjährige CDU-Vize und frühere Innenminister Heinz Eggert, Kultusminister Matthias Rößler und der Chef der Jungen Union, Robert Clemen. Ob die Identitätskrise der sächsischen Union damit beendet ist, scheint unklar. Zwar sprach Biedenkopf nach dem Parteitag von einem „ausgewogenen Viererteam“, mit dem eine kluge Entscheidung getroffen wurde.

Alles andere klang dann wie ein Biß in einen sauren Apfel: Den angekündigten Generationswechsel müsse er als Regierungschef jetzt eben mit einen Parteivorsitzenden Milbradt gemeinsam verwirklichen. Dieser habe „ein Recht auf eine Chance“, sagte Biedenkopf und antwortete trotzig knapp auf die Frage, ob die CDU eine gute Wahl getroffen habe: „Sie hat eine Wahl getroffen.“ Und in einem Fernsehinterview beharrte er nochmals darauf, daß die Entlassung Milbradts aus dem Kabinett richtig gewesen ist: „Jeder Ministerpräsident in Deutschland hätte so gehandelt.“ Auch Flath machte deutlich, daß die Auseinandersetzung in der CDU damit nicht zu Ende ist: Der Streit gehöre jetzt aber nicht mehr in die Medien, sondern in die Partei. Das dürfte aber ein frommer Wunsch bleiben, zumal Biedenkopf in den vergangenen Jahren viele verletzt hat.

Auf dem Landesparteitag mußte er sich nun Sätze anhören, die früher niemand gewagt hätte, im öffentlichen Raum auszusprechen. „Sachsen braucht künftig keinen Anwalt mehr“, sagte der frühere sächsische Justizminster Steffen Heitmann. Ein klarer Affront gegen den Landesvater, der kurz zuvor noch versichert hatte, auch über 2003 hinaus „als Anwalt für Sachsen aktiv“ bleiben zu wollen.

So dürfte Heinz Eggert mit seiner Prophezeiung, daß es jetzt „wieder einen friedlichen CDU-Laden im Freistaat“ geben wird, danebenliegen. Der einflußreiche CDU-Kreisvorsitzende des Vogtlandes, Fredo Georgi, hat die Partei (16.371 Mitglieder) bereits davor gewarnt, sich in eine bequeme Rolle zurückdrängen zu lassen: Milbradt hat uns gerufen, er hat uns gebraucht, jetzt wird er uns nicht mehr los.“ Der neue Parteichef werde „uns nicht mehr so folgsam erleben, wie die CDU einmal war“.

Spätestens seit Glauchau wittert auch die seit 1990 unter der absoluten christdemokratischen Landtagsmehrheit leidende Opposition Morgenluft. Ohne die Autorität eines Biedenkopfs werde die Sachsen-Union zerfallen und an Wählergunst verlieren, hofft die SPD, die sogar schon mit einer großen Koalition liebäugelt. Sie schließe ein schwarz-rotes Regierungsbündnis nach den Wahlen 2004 nicht aus, sagte SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl.

Die Christdemokraten haben in Glauchau Biedenkopf nicht die Gefolgschaft aufgekündigt. Die Unterstützung des 71jährigen bleibt wichtig, um den Freistaat Sachsen vor der Gefahr einer rot-roten Koalition zu bewahren. Sie haben die Worte ihres neuen Chefs verstanden, der zwar vor einer Spaltung der Partei warnte, aber auch mit Blick auf Biedenkopf betonte: „Aber gewinnen müssen wir die Wahl allein.“


 
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