© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001

 
Wiener Faulenzer-Debatte
Österreich: Die Mitte-Rechts-Koalition greift einen Schröder-Vorschlag auf
Jörg Fischer

Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angestoßene „Faulenzer-Debatte“ hat mit Verspätung jetzt auch Österreich erreicht: Eine Arbeitsgruppe der regierenden ÖVP-FPÖ-Koalition befaßt sich seit letzter Woche mit „Mißbrauchsmöglichkeiten im Sozial- und Versicherungssystem“.

Die „soziale Hängematte“ soll in ein „Nagelbett“ verwandelt werden. Sozialminister Herbert Haupt (FPÖ) hat neben der Betrugsbekämpfung vor allem jene Fälle im Visier, in denen jede Arbeit verweigert wird: „Wer nicht arbeiten will, wird sich die Frage stellen müssen, ob in einer Gesellschaft, in der genügend Arbeit vorhanden ist, mehr herausschaut als die Mindestversorgung.“ Kürzungen bis auf das Existenzminimum von 8.440 Schilling (1.200 Mark) sind im Gespräch.

Der freiheitliche Politiker will speziell Langzeitarbeitslose („Notstandshilfe-Bezieher“) wieder „berufsfähig“ machen. Dabei denkt er an gemeinnützige Tätigkeiten „im Interesse der Gemeinde oder der Kommune“. Die Betroffenen sollen so wieder lernen, ihren Tagesablauf zu organisieren. Vorbild soll ein Projekt in der Schweiz sein: Unternehmen melden Bedarf an Arbeitskräften an, anschließend werden Langzeitarbeitslose gesucht, die gezielt für das Projekt im Betrieb ausgebildet werden. Die Finanziers sind die öffentliche Hand und der Betrieb.

Haupt will bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit auch die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Koordinieren sollen dies die Sozialversicherung und das Finanzministerium. Das müsse beiden Institutionen ein Anliegen sein, weil derzeit hohe Summen an Beiträgen und Steuern abhanden kämen.


 
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