© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001

 
Von der Vergangenheit eingeholt
DDR-Staatssicherheit: Beim Mitteldeutschen Rundfunk wimmelt es von ehemaligen Zuträgern des Mielke-Ministeriums
Paul Leonhard

Mit Dubinski wird so bald niemand mehr reisen. Zumindest nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn MDR-Moderator Ingo Dubinski wurde von seinem Arbeitgeber vom Bildschirm verbannt. Der Grund: Als IM „Diplomat“ soll der heute 37jährige einst für das Ministerium für Staatssicherheit gespitzelt haben. Dokumente der Gauck-Behörde belegen, daß Dubinski gleich zweimal eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte, für die Stasi zu arbeiten. Erst wenige Tage zuvor war Moderator Hendrik Petzold („Mach Dich ran“) wegen einstiger Kontakte zum Mielke-Ministerium vom MDR freigestellt und sein Fall dem Personalausschuß vorgelegt worden

Mit den erneuten Überprüfungen seiner Mitarbeiter auf eine frühere Stasi-Mitarbeit kommt die Dreiländeranstalt Mitteldeutscher Rundfunk nicht mehr aus den Schlagzeilen raus. Wer in den Akten auftauchte, mußte sich einem eigens einberufenen Personalausschuß stellen. Die letzte Entscheidung behielt sich allerdings Intendant Udo Reiter vor. Als erstes trennte sich der Sender aufgrund der Aktenlage von den TV-Moderatoren Oliver Nix („Hier ab vier“, „Einfach genial“), Frank Liehr („Wer mit wem - Je t’aime“) und Horst Mempel („Biwak“) trennen. Nix beispielsweise hatte von 1985 bis 1989 als Inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi gearbeitet.

„Ohne Einschränkungen“ darf dagegen Udo Foht (IM „Karsten Weiß“) seinen Job als Programmchef Unterhaltung beim MDR-Fernsehen weiter ausüben, und auch Literaturchef Michael Hametner kann bleiben. Seine Stasi-Kontakte liegen mehr als 25 Jahre zurück. Im Falle der Leiterin des MDR-Hauptstadtbüros und früheren Moderatorin des ARD-Magazins „Fakt“, Sabine Hingst, plädierte der Personalausschuß auf „nicht zumutbar“. Frau Hingst war vorgeworfen worden, sie habe unter dem Decknamen „Christine“ als „Gesellschaftliche Mitarbeiterin“ (GM) für die Stasi gearbeitet. Auch sie war daraufhin bis zu einer Überprüfung durch den Personalausschuß vom Bildschirm verbannt worden.

Allein Intendant Reiter folgte dieser Empfehlung nicht. Die Akte sei sehr dünn, der Inhalt reiche nicht, um eine Entlassung vor Gericht zu rechtfertigen, argumentierte der MDR. Frau Hingst hätte sich jederzeit wieder einklagen können.

Aber nicht allein deswegen ist die Stasi-Debatte um den Mitteldeutschen Rundfunk wieder aufgelebt. Öl ins Feuer goß Sabine Hingst selbst, wieder im Amt als Chefin des Hauptstadtbüros, als ausgerechnet sie am 13. August über den 40. Jahrestag des Mauerbaus berichtete. Prompt protestierte das Leipziger Bürgerkomitee für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit gegen diese „politische Taktlosigkeit“ und warf dem Sender vor, „Ex-Spitzel über Gedenkfeiern berichten“ zu lassen. Auch im MDR wurde der Vorfall hitzig debattiert. An ein Versehen mochten nur wenige glauben, auch wenn MDR-Sprecher Eric Markuse den Vorfall als „instinktlos“ und „nicht im Interesse des Senders und für die meisten Kollegen im MDR auch nicht nachvollziehbar“ bezeichnete.

„Die Führung des Hauses argumentiert, wir hätten alle über die Vergangenheit von Sabine Hingst Bescheid gewußt, das stimmt aber nicht“, schimpft ein Fernsehfunk-Redakteur im Kollegenkreis. Man werde sich das nicht länger gefallen lassen. Schließlich leide auch der eigene Ruf. Die FAZ berichtete gar, daß sich Kollegen bereits weigerten, mit Sabine Hingst zusammenzuarbeiten, und ein Minister sich von ihr nicht interviewen ließ.

Inzwischen regelt ein Erlaß des Intendanten, welche MDR-Mitarbeiter sich journalistisch nicht mehr mit der Geschichte der DDR beschäftigen dürfen. So soll einerseits Schaden vom MDR abgewendet und andererseits die Gefühle von Opfern des SED-Regimes nicht mehr verletzt werden. Damit räumt der Sender aber auch ein, daß ein gewisser Personenkreis, der „in der Vergangenheit mit der DDR-Staatssicherheit in Kontakt“ kam, weiter beschäftigt wird.

Während Sabine Hingst auf ihren Arbeitsvertrag pochen kann, ist es mit der Karriere von Ingo Dubinski - zumindest vorerst - vorbei. Wie er am Montagabend in einem Gespräch mit der n-tv-Moderatorin Sandra Maischberger sagte, rechne er selbst nicht mehr mit seiner Rückkehr zur ARD. Dabei wollte er am kommenden Sonnabend im Ersten mit der neuen Fernseh-Lotterie „Das Lied zum Glück“ erst so richtig durchstarten. Dem Moderator, der auch für die ARD-Anstalten SWR („Wunschbox“) und NDR („Goldene 1“) arbeitete, wird unter anderem vorgeworfen, während seines Wehrdienstes in der NVA im Auftrag der Stasi den Spind eines Kameraden durchsucht und dem Geheimdienst über seine Entdeckungen berichtet zu haben. Später soll Dubinski für die Militärspionage gearbeitet haben. Bereits während seines Journalistik-Studiums an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig habe Dubinski als „Hundertfünfzigprozentiger“ gegolten, erzählt eine ehemalige Kommilitonin. Er durfte offiziell mit westlichen Besuchern sprechen, auf der Leipziger Messe moderieren und wurde vom Studium für die Vorbereitung des Jugendsenders „DT 64“ freigestellt.

Offen ist zur Zeit noch, was aus dem „Sachsenspiegel“-Moderator Stephan Bischof wird. Obwohl die abschließende Prüfung des Journalisten noch aussteht, hat ihn die CDU-geführte Sächsische Staatskanzlei für das am kommenden Wochenende in Zittau stattfindende Volksfest „Tag der Sachsen“ angeheuert. Hier sitzt MDR-Moderator Bischof in einer Jury, die einen Argumentationswettstreit zwischen Schülern und Mitgliedern des Biedenkopf-Kabinetts bewerten soll. Die dafür nötigen Kenntnisse dürfte Bischof bereits seinerzeit als Elite-Student an der Stasi-Hochschule in Potsdam erworben haben.


 
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